Es ist: 15-12-2020, 17:27
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Der Beruf
Beitrag #1 |

Der Beruf
Der Beruf

Vor drei Jahren begann ich die Ausbildung zur Altenpflegerin, obwohl dieser Beruf sehr mit Vorurteilen zu kämpfen hat und ich mir Sätze anhören musste wie „Arschabwischer“ oder das der Beruf nicht schwer sei usw., wählte ich diesen Beruf trotzdem. Anfangs fiel mir der Beruf sehr schwer und ich hatte überhaupt keine Lust darauf, doch dies sollte sich bald ändern wie ich später bemerkte. „Das ist nichts für dich", sagte ich mir immer wieder, „das kannst du nicht„ antwortete ich mir, jeden Tag die gleiche Arbeit ist nichts für mich, dachte ich. Alte Leute waschen, anziehen und sie betüddeln ist mir zu langweilig sagte ich und anfangs war es auch so. Nach einem halben Jahr bemerkte ich, das mir die Arbeit Spaß macht und ich gerne den Alten Leuten in ihrem Alltag behilflich bin, gerne unterstütze ich sie bei der Körperpflege und gerne helfe ich ihnen beim Anziehen. Tag ein Tag aus vollbrachte ich diese Arbeit und jeden Tag absolvierte ich sie mit immer mehr Sorgfalt und liebe. Als ich im zweiten Lehrjahr war, durfte ich endlich Behandlungspflege durchführen also sprich in Begleitung einer PFK Verbände wechseln, Insulin oder Vitamin B12 spritzen oder Tropfen stellen. Aber am meisten freute ich mich darauf mein Fachwissen an anderen Kollegen weiterzugeben, sofern sie Interessiert daran waren etwas Neues dazuzulernen. Inzwischen freute ich mich auch immer mehr auf den Schulunterricht, aber nicht auf den Unterricht selbst, sondern auf zwei Klassenkameraden, mit den ich mich mittlerweile bestens verstand. Da wir nun im zweiten Lehrjahr waren, mussten wir uns auch um drei Praktikumsplätze kümmern, ein Wahlpraktikum dieses absolvierte ich bei meinem alten Arbeitgeber, bei dem ich mein FSJ machte. Das zweite Praktikum war das Gerontopsychiatrische das ich mit drei weiteren Klassenkameraden in der Psychiatrie im örtlichen Krankenhaus absolvierte. Das letzte Praktikum war das ambulante und dieses veränderte mich ich sah dort Bewohner, die in zugemüllten Häusern wohnten, doch alleine damit nicht zurechtkamen und keine Hilfe bekamen. Ich sah Bewohner, die aufgrund ihrer Krankheit ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnten, Menschen die Geldprobleme hatten und fürchten mussten das sie ihre Wohnung verlieren. All dies machte mich sehr traurig und veränderte mich. Nach meinem Praktikum war ich wieder zurück im Betrieb und führte dort wie gewohnt meine Arbeit fort. Als ich ins dritte Lehrjahr kam, freute ich mich überhaupt nicht mehr so, wie vorher ich durfte zwar nun die Behandlungspflege selbstständig durchführen doch die Arbeit bereitete mir nur noch Trauer. Zu Hause grübelte ich über alles und versuchte mich zu motivieren und durchzuhalten. Am nächsten Tag starb ein Bewohner in meiner Schicht, es war meine erste Tote, ich war wie erstarrt und wusste nicht, was ich tun sollte. Zu meinem Glück war ich mit einer Kollegin im Dienst, die so etwas schon öfters mitgemacht hat. Wir machten die Bewohnern in Ruhe zurecht und kümmerten uns dann um den Rest. In laufe meines letzten Lehrjahres, starben mehrere Bewohner und jeder Tod von ihnen ging mir immer mehr und mehr nahe. Jeden Tag sah ich immer mehr Bewohner die Todkrank waren oder nicht mehr aßen und tranken und nur noch sterben wollten, aber von Kollegen zwangsernährt wurden, all dies zerriss mich jeden Tag innerlich ein Stückchen mehr. Eines Tages bekamen wir dann eine neue Bewohnerin zu uns ins Haus und ich sage immer, bei uns war es „Liebe auf den ersten Blick„, von Anfang an verstanden wir uns prima und ich nannte sie meine kleine Omi, natürlich sagte ich dies nur bei Kollegen und nicht zu der Bewohnerin denn das wäre ja unprofessionell. Ich merkte gar nicht wie ich diese Bewohnerin zu nahe an mich heranließ. Ungefähr ein halbes Jahr später kam diese Bewohnerin ins Krankenhaus und starb dort wenige Tage später, als ich davon hörte brach in mir die Welt zusammen, dennoch durfte ich mir nicht anmerken lassen, das es mir so schlecht ging und es klappte auch, die Kollegen merkten nichts. Ich merkte, wie ich alles zu nahe an mich ran ließ, doch ich schaffte es nicht es zu ändern. Tag für Tag zerriss es mein Herz, wenn ich Bewohnern leiden sah, Bewohner sterben sah usw., Ich merke, wie dieser Beruf mich innerlich kaputt macht und wenn ich nichts ändere, dass er es auch schafft mich komplett zu zerstören.


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Beitrag #2 |

RE: Der Beruf
Liebe Chrisi,

inhaltlich lässt sich deinem Text nichts mehr hinzufügen. Er ist authentisch, deine Gefühle kann ich sehr gut nachvollziehen und nachfühlen. Mit Menschen zu arbeiten ist immer etwas ganz besonderes, wird aber auch besonders belastend, wenn man nicht die nötige Zeit und Unterstützung hat. Das zeigt sich auch in deinem Text sehr deutlich ...

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Meine Frage wäre, welche Textgattung du mit dem Text anstrebst. Wolltest du eine literarische Kurzgeschichte schreiben? Oder ein Essay für eine Zeitschrift? Oder einfach nur einen Rückblick für dich selbst, um das Erlebte zu verarbeiten?

Denn aus meiner Sicht handelt es sich hier (noch) nicht um einen literarischen Text. Dazu ist es, trotz der Emotionen, noch zu sachbezogen erzählt. In einem literarischen Text passiert etwas JETZT in DIESEM Moment. Zum Beispiel:

"Ist Ihnen das nicht manchmal zu viel?"
Ich stutzte. Nachdenklich stellte ich das Tablett ab, das ich gerade raustragen wollte. Frau Maier hatte es wie immer nur halb leer gegessen, mehr schaffte sie einfach nicht, ganz egal wie klein wir die Portionen machten, sie ließ immer etwas übrig.
Zu viel?
Ich wusste einen Moment lang wirklich keine Antwort auf diese Frage. Vielleicht war ich auch nur zu geschockt, diese Frage von einer Bewohnerin zu hören. Meistens bekam ich dies von Außenstehenden zu hören. "Arschabwischer", "Alte-Leute-Betüddler", solche Bemerkungen hatte ich nur allzu oft gehört. Meistens von Leuten, die keine Ahnung von Pflege hatten. Ich muss zugeben, ich hatte am Anfang auch Probleme mit der Ausbildung, aber in dem Moment, in dem ich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern in Kontakt trat, trat das alles in den Hintergrund. Mit der Zeit hatte ich meinen Beruf lieben gelernt.
Hast du?, fragte mich eine leise Stimme in meinem Kopf. Warum zögerst du dann so sehr mit der Antwort?
Frau Maier sah mich noch immer wartend an. Sie drängte mich nicht. Alte Leute haben Zeit.
"Es ist viel...", sagte ich zögernd. Ich wollte sie nicht anlügen. "Aber ich kriege auch viel zurück."


Das ist jetzt nur ein recht spontanes Beispiel dafür, wie man einige der Überlegungen, die du in deinem Text quasi aus der Vogelperspektive beschreibst, in ein "Momenterlebnis" verpacken könnte. Ein literarischer Text ist lebendiger und mitreißender, aber auch schwerer zu schreiben.


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Nun gibt es natürlich noch eine zweite Möglichkeit: Ein Essay, einen Erfahrungsbericht. Solche Berichte findet man manchem in Zeitungen oder Zeitschriften. Ich denke, dafür ist der Text schon fast perfekt. Was du noch tun kannst:

> Du solltest auf jeden Fall noch Absätze setzen, damit der Text für das Auge besser zu erfassen ist - das macht sehr viel aus.

> Auch die Rechtschreibkorrektur von Word drüber laufen lassen und/oder jemanden ums Korrekturlesen bitten wird noch den ein oder anderen Zeichenfehler ausmerzen.

> Manche Sätze sind ein bisschen lang. Sie wirken "aneinandergereiht", so wie man es bei einer mündlichen Erzählung ja auch immer macht (einen Punkt nach dem nächsten in einen Endlossatz packen). Im schriftlichen wirkt das aber ein bisschen umgangssprachlich und kann auch unübersichtlich werden. Da könntest du nochmal gezielt die langen Sätze raussuchen und überlegen, ob du sie so stehen lassen möchtest.
Hier ein Beispiel:


Eines Tages bekamen wir dann eine neue Bewohnerin zu uns ins Haus und ich sage immer, bei uns war es „Liebe auf den ersten Blick„, von Anfang an verstanden wir uns prima und ich nannte sie meine kleine Omi, natürlich sagte ich dies nur bei Kollegen und nicht zu der Bewohnerin denn das wäre ja unprofessionell.

Hier hast du ganze fünf Inhaltselemente zu einem langen Satz verbunden. Du kannst die langen Sätze in kürzere Sätze auftrennen. Du kannst aber an manchen Stellen auch überlegen, ob du die Satzteile durch ein anderes Wort als "und" verbinden kannst. Denn der Eindruck vom "aneinanderreihen" kommt auch daher, dass die Satzteile meistens mit Kommata bzw. "und" verbunden werden. Da gibt es noch andere schöne Verbindungswörter, die eleganter wirken und Abwechslung in den Text bringen: obwohl, auch wenn, gleichzeitig, doch, daraufhin ...


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Insgesamt bleibt wie gesagt die Frage, wohin dieser Text als Text will ...
Aber vielleicht stehen bei dir gerade auch ganz andere, wichtigere Fragen an.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Kraft und den Mut, die richtigen Entscheidungen für dich zu treffen, auch wenn diese vielleicht erst einmal weh tun. Ausbrennen bringt niemandem was. Ich hoffe, dass du jemanden hast mit dem du all das besprechen kannst und wünsche dir, dass du deinen Platz findest!


Viele Grüße


ichigo


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Beitrag #3 |

RE: Der Beruf
Hallo Chrisi,

da ich auch schon in der Alten- und Krankenpflege gearbeitet hat, kann ich vieles von dem, was Du geschrieben hast, auch nachvollziehen.

Viele Grüße

Andreas


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