Was ist Phantastik?
So kurz und einfach diese Frage erscheinen mag, leider ist sie nicht so schnell und genau zu beantworten, denn der Begriff wird vielfach verwendet - sowohl als Oberbegriff, als auch als Subgenrebezeichnung.
Diese Rubrikenbeschreibung stützt sich zwar auf die Forschungsergebnisse der letzten Jahre, versucht aber eigenständig die Phantastik (als eigenes Subgenre) von den artverwandten Begriffen wie Mysterie, Horror, Fantasy, Surrealismus und Science–Fiction abzugrenzen.
Ursprung
Der Begriff „Phantastik“ geht zurück auf einen Übersetzungsfehler Anfang des 19. Jahrhunderts, als E.T.A. Hoffmanns „Fantasiestücke in Callots Manier“ (1814) ins Französische mit „Contes fantastiques“ übersetzt wurden. Richtig wäre gewesen: „contes de la fantaisie“.
Phantastik als Genrebezeichnung
Die Phantastik gehört nicht zu den drei Gattungen der Literatur – der Epik, der Dramatik und der Lyrik. Sie steht als schwer zu definierendes Genre etwas abseits und gilt in dem Zusammenhang als Oberbegriff für alles, was abgehoben, unrealistisch, unglaublich, versponnen, grotesk, absurd, unheimlich und wunderbar ist.
Innerhalb dieser umrissenen Grenzen sind Science–Fiction, Fantasy angesiedelt, wobei in dieser Rubrikenbeschreibung auch Mystery und Horror mit einbezogen werden, sowie die Phantastik selbst als Subgenre.
Wichtig für das Verständnis der Subgenres untereinander: Die Grenzen sind fließend.
In der phantastischen Literatur tauchen verschiedene Welten auf, die teilweise wunderbar, faszinierend oder verstörend sein können. Bei Science Fiction beispielsweise sind dies mögliche Zukunftsvisionen, Dystopien und Utopien sowie alternative Welten. In der Fantasy wird der Leser durch eine andersartige Welt fasziniert, in der Magie und fabelhafte Wesen unterschiedlicher Arten zu finden sind.
Diese "andersartigen" Welten werden in der Forschung als „secondary world“ bezeichnet. Laut Maria Nikolajev („The Magic Code“ – Stockholm 1988) unterscheidet man dabei zwischen drei Möglichkeiten:
1. Die geschlossene (zweite) Welt
Hier existiert keine Verbindung zur Realität des Lesers, er blickt praktisch aus einer beobachtenden Position auf die Geschehnisse. Diese in sich geschlossenen Welten werden in der Fantasy sowie in der Science-Fiction angewandt und auch als „High–Fantasy“ bezeichnet. Beispiele: Tolkiens „Der Herr der Ringe“ oder Michael Endes „Jim Knopf“
2. Die offene (zweite) Welt
Hier existiert eine Verbindung zur realen Welt, sie berühren sich an zentralen Punkten und sind beide in der Geschichte gleichrangig präsent. Als Beispiele sind hier Endes „Die unendliche Geschichte“ und Carolls „Alice im Wunderland“ erwähnt, wobei es zwischen diesen Werken ebenfalls Unterschiede gibt. In „Die unendliche Geschichte“ existiert Phantasien als „reale“ Welt neben der unserigen. In „Alice im Wunderland“ existiert die Welt, in die Alice dem weißen Kaninchen folgt, nur in ihrem Traum.
3. Die implizierte (wunderbare) Welt
Hier existiert eine vermischte Welt aus Realität und phantastischen Elementen, wobei die zweite Welt (oder das Phantastische an sich) ungleichrangig zur realen Welt existiert und sich im Hintergrund hält. Als Beispiel dafür: „Men in Black“. Dort werden die unterschiedlichsten Geschöpfe und Wesen in die reale Welt integriert, ohne das deren Welten ausgiebig dargestellt werden. (Wird als „Low–Fantasy“ bezeichnet, wobei angemerkt werden muss, dass „Fantasy“ hier aus dem englischen kommt und mit der „Phantastik“ als Überbegriff übereinstimmt.)
Phantastik als Subgenre
Um Phantastik als Subgenre zu konkretisieren, muss man erst die anderen Vertreter dieses Genres definieren.
In der Science-Fiction – wörtlich übersetzt wissenschaftliche Fiktion – werden vorzugsweise Welten beschrieben, die sich entweder in einer fernen Zukunft oder in einer alternativen Zeit befinden. Dabei wird der Hauptaspekt – die wissenschaftliche Grundlage - nicht aus den Augen verloren. Mehr oder weniger sind die dort beschriebenen Welten der unserigen, realen Welt entweder sehr ähnlich, oder als eine Fortsetzung dazu anzusehen.
In der Fantasy dagegen liegt nicht der wissenschaftliche Aspekt im Vordergrund – oder fungiert als Grundlage – sondern eher das Spirituelle, das Magische, das Geheimnisvolle, das Übernatürliche.
Mysterie – oder Mystery – ist nur scheinbar ein übernommener Begriff. Ursprünglich bezeichnet es im Englischen einen normalen Kriminalroman, da hier Mystery für „das Geheimnisvolle“ steht. Heutzutage wird eher an Verschwörungstheorien (mit phantastischen Elementen) in diesem Zusammenhang gedacht, sowie an geheimnisvolle Rätsel, die auch nicht komplett aufgeklärt werden müssen, wobei auch Anteile des Horrors mit einfließen. Allerdings sind dort die Schemata von Gut und Böse meistens sehr klar voneinander abgegrenzt und der „Horror“ an sich – der Nervenkitzel, das Spiel mit der Angst – steht stärker im Mittelpunkt.
Der Surrealismus handelt von Träumen und der verzerrten Wahrnehmungen einer realen Welt. Als Beispiel sei hier nochmal „Alice im Wunderland“ oder Alex Garland „Das Koma“ angeführt, sowie als Filmbeispiel „Fear and Loathing in Las Vegas“.
Was ist also Phantastik?
Phantastische Geschichten – oder Geschichten mit phantastischen Elementen – kennzeichnen einen „Riss in der Wirklichkeit“. Von allen oben beschriebenen Möglichkeiten innerhalb des übergeordneten Begriffs als Genre, spielt die Phantastik mit den letzten beiden Varianten sowie ihrer Interaktion mit der Realität. Somit wäre Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ dem Subgenre der Phantastik zuzuordnen. „Alice im Wunderland“ dagegen wäre ein Grenzfall. Auf der einen Seite durchaus surreal, aber durch das Spiel mit den beiden Welten – auch wenn die eine nur eine Traumwelt ist – besitzt auch sie phantastische Elemente.
„Phantastik“ in Literatopia
Diese Rubrik umfasst die Subgenres der Phantastik und der Mystery, da sie sehr nahe beieinander liegen.
Somit ist hier Platz für Geschichten, die mit der Wirklichkeit und Phantasie spielen („Die unendliche Geschichte“) wobei beide Welten gleichrangig agieren, sowie für Werke, in denen die Realität ungleich höher gewichtet ist als die phantastische Welt, die im Hintergrund bleibt. Das können Vampir– oder Geistergeschichten sein, oder Werke, die allgemein der Mystery zugeordnet werden können.
Quellen:
Portal Phantastik
Interview mit Carsten Kuhr auf Blitz.de
www.hausarbeiten.de
Arbeitsgrundlage:
Phantastische Literatur Übersicht der PDFs zur Vorlesungsreihe von Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans
Phantastik im Spannungsfeld zwischen literarischer Moderne und Unterhaltung Überblick über die jüngere Forschungsgeschichte zur Theorie der Phantastik von Prof. B. Rank
Theorie der phantastischen Literatur Studienarbeit zum Thema
Links zu den zitierten Werken:
Die unendliche Geschichte
Alice im Wunderland
Men in Black
Fear and Loathing in Las Vegas
Das Koma
Jim Knopf
Der Herr der Ringe
So kurz und einfach diese Frage erscheinen mag, leider ist sie nicht so schnell und genau zu beantworten, denn der Begriff wird vielfach verwendet - sowohl als Oberbegriff, als auch als Subgenrebezeichnung.
Diese Rubrikenbeschreibung stützt sich zwar auf die Forschungsergebnisse der letzten Jahre, versucht aber eigenständig die Phantastik (als eigenes Subgenre) von den artverwandten Begriffen wie Mysterie, Horror, Fantasy, Surrealismus und Science–Fiction abzugrenzen.
Ursprung
Der Begriff „Phantastik“ geht zurück auf einen Übersetzungsfehler Anfang des 19. Jahrhunderts, als E.T.A. Hoffmanns „Fantasiestücke in Callots Manier“ (1814) ins Französische mit „Contes fantastiques“ übersetzt wurden. Richtig wäre gewesen: „contes de la fantaisie“.
Phantastik als Genrebezeichnung
Die Phantastik gehört nicht zu den drei Gattungen der Literatur – der Epik, der Dramatik und der Lyrik. Sie steht als schwer zu definierendes Genre etwas abseits und gilt in dem Zusammenhang als Oberbegriff für alles, was abgehoben, unrealistisch, unglaublich, versponnen, grotesk, absurd, unheimlich und wunderbar ist.
Innerhalb dieser umrissenen Grenzen sind Science–Fiction, Fantasy angesiedelt, wobei in dieser Rubrikenbeschreibung auch Mystery und Horror mit einbezogen werden, sowie die Phantastik selbst als Subgenre.
Wichtig für das Verständnis der Subgenres untereinander: Die Grenzen sind fließend.
In der phantastischen Literatur tauchen verschiedene Welten auf, die teilweise wunderbar, faszinierend oder verstörend sein können. Bei Science Fiction beispielsweise sind dies mögliche Zukunftsvisionen, Dystopien und Utopien sowie alternative Welten. In der Fantasy wird der Leser durch eine andersartige Welt fasziniert, in der Magie und fabelhafte Wesen unterschiedlicher Arten zu finden sind.
Diese "andersartigen" Welten werden in der Forschung als „secondary world“ bezeichnet. Laut Maria Nikolajev („The Magic Code“ – Stockholm 1988) unterscheidet man dabei zwischen drei Möglichkeiten:
1. Die geschlossene (zweite) Welt
Hier existiert keine Verbindung zur Realität des Lesers, er blickt praktisch aus einer beobachtenden Position auf die Geschehnisse. Diese in sich geschlossenen Welten werden in der Fantasy sowie in der Science-Fiction angewandt und auch als „High–Fantasy“ bezeichnet. Beispiele: Tolkiens „Der Herr der Ringe“ oder Michael Endes „Jim Knopf“
2. Die offene (zweite) Welt
Hier existiert eine Verbindung zur realen Welt, sie berühren sich an zentralen Punkten und sind beide in der Geschichte gleichrangig präsent. Als Beispiele sind hier Endes „Die unendliche Geschichte“ und Carolls „Alice im Wunderland“ erwähnt, wobei es zwischen diesen Werken ebenfalls Unterschiede gibt. In „Die unendliche Geschichte“ existiert Phantasien als „reale“ Welt neben der unserigen. In „Alice im Wunderland“ existiert die Welt, in die Alice dem weißen Kaninchen folgt, nur in ihrem Traum.
3. Die implizierte (wunderbare) Welt
Hier existiert eine vermischte Welt aus Realität und phantastischen Elementen, wobei die zweite Welt (oder das Phantastische an sich) ungleichrangig zur realen Welt existiert und sich im Hintergrund hält. Als Beispiel dafür: „Men in Black“. Dort werden die unterschiedlichsten Geschöpfe und Wesen in die reale Welt integriert, ohne das deren Welten ausgiebig dargestellt werden. (Wird als „Low–Fantasy“ bezeichnet, wobei angemerkt werden muss, dass „Fantasy“ hier aus dem englischen kommt und mit der „Phantastik“ als Überbegriff übereinstimmt.)
Phantastik als Subgenre
Um Phantastik als Subgenre zu konkretisieren, muss man erst die anderen Vertreter dieses Genres definieren.
In der Science-Fiction – wörtlich übersetzt wissenschaftliche Fiktion – werden vorzugsweise Welten beschrieben, die sich entweder in einer fernen Zukunft oder in einer alternativen Zeit befinden. Dabei wird der Hauptaspekt – die wissenschaftliche Grundlage - nicht aus den Augen verloren. Mehr oder weniger sind die dort beschriebenen Welten der unserigen, realen Welt entweder sehr ähnlich, oder als eine Fortsetzung dazu anzusehen.
In der Fantasy dagegen liegt nicht der wissenschaftliche Aspekt im Vordergrund – oder fungiert als Grundlage – sondern eher das Spirituelle, das Magische, das Geheimnisvolle, das Übernatürliche.
Mysterie – oder Mystery – ist nur scheinbar ein übernommener Begriff. Ursprünglich bezeichnet es im Englischen einen normalen Kriminalroman, da hier Mystery für „das Geheimnisvolle“ steht. Heutzutage wird eher an Verschwörungstheorien (mit phantastischen Elementen) in diesem Zusammenhang gedacht, sowie an geheimnisvolle Rätsel, die auch nicht komplett aufgeklärt werden müssen, wobei auch Anteile des Horrors mit einfließen. Allerdings sind dort die Schemata von Gut und Böse meistens sehr klar voneinander abgegrenzt und der „Horror“ an sich – der Nervenkitzel, das Spiel mit der Angst – steht stärker im Mittelpunkt.
Der Surrealismus handelt von Träumen und der verzerrten Wahrnehmungen einer realen Welt. Als Beispiel sei hier nochmal „Alice im Wunderland“ oder Alex Garland „Das Koma“ angeführt, sowie als Filmbeispiel „Fear and Loathing in Las Vegas“.
Was ist also Phantastik?
Phantastische Geschichten – oder Geschichten mit phantastischen Elementen – kennzeichnen einen „Riss in der Wirklichkeit“. Von allen oben beschriebenen Möglichkeiten innerhalb des übergeordneten Begriffs als Genre, spielt die Phantastik mit den letzten beiden Varianten sowie ihrer Interaktion mit der Realität. Somit wäre Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ dem Subgenre der Phantastik zuzuordnen. „Alice im Wunderland“ dagegen wäre ein Grenzfall. Auf der einen Seite durchaus surreal, aber durch das Spiel mit den beiden Welten – auch wenn die eine nur eine Traumwelt ist – besitzt auch sie phantastische Elemente.
„Phantastik“ in Literatopia
Diese Rubrik umfasst die Subgenres der Phantastik und der Mystery, da sie sehr nahe beieinander liegen.
Somit ist hier Platz für Geschichten, die mit der Wirklichkeit und Phantasie spielen („Die unendliche Geschichte“) wobei beide Welten gleichrangig agieren, sowie für Werke, in denen die Realität ungleich höher gewichtet ist als die phantastische Welt, die im Hintergrund bleibt. Das können Vampir– oder Geistergeschichten sein, oder Werke, die allgemein der Mystery zugeordnet werden können.
Quellen:
Portal Phantastik
Interview mit Carsten Kuhr auf Blitz.de
www.hausarbeiten.de
Arbeitsgrundlage:
Phantastische Literatur Übersicht der PDFs zur Vorlesungsreihe von Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans
Phantastik im Spannungsfeld zwischen literarischer Moderne und Unterhaltung Überblick über die jüngere Forschungsgeschichte zur Theorie der Phantastik von Prof. B. Rank
Theorie der phantastischen Literatur Studienarbeit zum Thema
Links zu den zitierten Werken:
Die unendliche Geschichte
Alice im Wunderland
Men in Black
Fear and Loathing in Las Vegas
Das Koma
Jim Knopf
Der Herr der Ringe