Personenbeitrag Patricia Highsmith - Inhalt
- Biographie
- Bibliographie
- Auszeichnungen
- Verfilmungen
- Rezensionen in Literatopia
Patricia Highsmith - Biographie
![[Bild: highsmith-foto.jpg]](https://iza-server.uibk.ac.at/pywb/dilimag/20210113092156im_/http://www.literatopia.de/images/stories/Almut/highsmith-foto.jpg)
(Foto: © Simone Sassen)
Patricia Highsmith wurde am 19. Januar 1921 unter dem Namen Mary Patricia Plangman als einziges Kind der Mode-Graphikerin Mary Coates Plangman und des deutschstämmigen Jay Bernard Plangman im texanischen Fort Worth geboren. Die Eltern hatten sich neun Tage vor ihrer Geburt scheiden lassen. 1924 heiratete Mary Coates den New Yorker Werbetexter Stanley Highsmith. Drei Jahre später zog die Familie von Fort Worth nach Manhattan, New York. Obwohl sie Plangman hieß, meldete die Mutter sie unter dem Namen Highsmith an. Sie behielt den Namen, der legalisiert wurde, als ihr Stiefvater sie als Dreiundzwanzigjährige formal adoptierte. 1929 kehrte die Familie nach Fort Worth zurück, wo Highsmith die Stephen F. Austin Elementary School besuchte. Dort bekam sie den Anstoß zum Schreiben, als der Englischlehrer das Aufsatzthema „How I Spent My Summer Vacation“ (Wie ich meine Sommerferien verbracht habe) vergab. Ihre Geschichte über die Mammut-Höhlen in Kentucky, die die Highsmiths besucht hatten, weckte das Interesse ihrer Mitschüler, und sie spürte zum ersten Mal die Magie des Erzählens.
1930 zog die Familie wieder nach New York, diesmal nach Astoria, wo Highsmith die Schule am Ditmars Boulevard besuchte. Von 1933 bis 1934 parkte die Mutter sie bei der Großmutter in Fort Worth. Zurück in New York besuchte Highsmith die Julia Richmond High School. Ihre damaligen Lieblingsautoren hießen Edgar Allan Poe und Joseph Conrad. Mit sechzehn schrieb sie ein phantastisch-episches Gedicht im Stil von Tennysons Idylls of the Kings sowie die Erzählung Crime Begins, die von einem Mädchen handelt, das ein Buch aus der Bibliothek stiehlt. Die Geschichte ist autobiographisch, nur dass Highsmith den Diebstahl aus Angst vor Entdeckung und den zu erwartenden Schuldgefühlen nicht ausgeführt hatte, und wurde in der Schulzeitschrift „The Bluebird“ veröffentlicht. Im Januar 1938 schloss Highsmith die High School ab.
Ab September 1938 studierte Highsmith am Barnard College der Columbia-Universität in New York das Fach Englische Literatur. Ihre Mutter finanzierte das Studium und ließ ihr die freie Wahl. In der Zeit veröffentlichte Highsmith neun Erzählungen im „Barnard Quarterly“. Im Juni 1942 schloss sie das Studium mit dem Bachelor of Arts ab.
Ihr erstes Geld verdiente Highsmith ab Juni beim Verlag FFF Publishers als Editorial Assistant von Ben Zion Goldberg. Im November wurde ihr wegen Stellenabbau gekündigt. Da sie schriftstellerisch und zeichnerisch gleichermaßen begabt war, erhielt sie Ende 1942 eine Stelle als Autorin und Zeichnerin beim Comicverlag Michel Publishers. Die Arbeit stellte keine Herausforderung dar, aber sie konnte sich ein eigenes Zimmer leisten. Sie schrieb Erzählungen und begann zwei Romanmanuskripte. 1945 erschien ihre Erzählung The Heroine in „Harper’s Bazar“, für die sie lange keine Zeitschrift gefunden hatte. Schon damals hatte sie eine Neigung zum Schaurigen und Bizarren.
Nach einer mehrmonatigen Mexikoreise begann sie 1947 mit Strangers on a Train, den sie 1948 in der Künstlerkolonie Yaddo beendete. Dort begegnete sie ihrem späteren Verlobten Marc Brandel, von dem sie sich 1949 wieder trennte. Mehrere Verlage lehnten das Manuskript ab, sie glaubten nicht an die Geschichte eines Überkreuzmordes. Bei seinem Erscheinen 1950 stieß der Roman auf positive Resonanz bei Presse und Lesern. Alfred Hitchcock wurde aufmerksam und erwarb eine Woche nach Erscheinen für sechstausend Dollar die Filmrechte. Der Film hatte 1951 Premiere und machte Highsmith in den USA, Europa und Japan berühmt. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Claire Morgan den Roman Carol (später The Price of Salt), der von einer lesbischen Liebe erzählt, einem Thema auch ihres letzten Romans, Small g: a Summer Idyll.
Von 1951 bis 1953 bereiste Highsmith Europa, vor allem Italien, England und Griechenland. Unklar ist, ob sie nur ihre Ruhe vor dem Medienrummel suchte oder von der politischen Entwicklung in ihrem Land enttäuscht war. Sie vertrat demokratische Ideale, war von 1939 bis 1941 sogar Mitglied der „Young Communist League“ gewesen. In ihren Romanen und Kurzgeschichten kritisierte sie die US-Politik, die McCarthy-Ära und den Vietnam-Krieg, explizit beispielsweise in Edith’s Diary.
Von Ende 1953 bis 1954 wohnte sie bei ihren Verwandten in Fort Worth, wo sie The Blunderer beendete. Im Jahr darauf folgte mit The Talented Mr Ripley der erste von insgesamt fünf Romanen mit ihrer Lieblingsfigur und ihrem Alter Ego Tom Ripley, dessen dandyeskes Leben zwischen Kunst und Verbrechen sie in vier weiteren Romanen schildert. The Talented Mr Ripley festigte ihren Ruhm als Thrillerautorin.
Nach wechselnden Aufenthaltorten, unter anderem in den Staaten und Mexiko, verließ sie 1964 die USA und zog ins ostenglische Suffolk, wo sie das Cottage Earl Sohan gekauft hatte. Trotz Doppelbesteuerung behielt sie jedoch ihre Staatsbürgerschaft bei. 1968 zog sie mit ihren zwei Katzen und diversen Schnecken (ihren Lieblingstieren) in das französische Dorf Montmachoux bei Samois-sur-Seine, 1970 in den Nachbarort Moncourt an den Ufern des Loing, unweit von Fontainebleau und Nemours. 1981 verließ sie Frankreich. Ein Steuerfahnder hatte ihr einen unangemeldeten Besuch abgestattet, um ihre Unterlagen zu prüfen. Als ehrliche Steuerzahlerin fühlte sie sich kriminalisiert. Sie zog ins schweizerische Dorf Aurigeno bei Locarno. Einige ihrer Freunde lebten dort in der Nähe, in Zürich saß ihr Hausverlag. Ab 1988 lebte sie in Tegna, Tessin.
Highsmith starb am 4. Februar 1995 im Krankenhaus von Locarno an Leukämie. Ihre Asche wurde auf dem Friedhof in Bellinzona begraben.
Seit ihrem Roman Strangers on a Train trägt Highsmith das Label Krimi- oder Thrillerautorin („mystery writer“). Sie wehrte sich gegen jede Kategorisierung und nannte sich selbst eine Geschichtenerzählerin. Ihre Faszination für das Grausame und Makabre, das vor allem in ihren Kurzgeschichten deutlich wird, verdankt sie zum Teil Edgar Allan Poe. Die düstere Atmosphäre von Bedrohung und Beklemmung in ihren 22 Romanen ist beeinflusst von den Noir-Romanen der dreißiger und vierziger Jahre. Die Themen erinnern an den Existentialismus von Nietzsche, Kafka, Dostojewskij, Kierkegaard, Sartre und Camus, die zu ihrem Lesestoff gehörten.
Highsmith hat sich nie für Detektivgeschichten und Rätselkrimis interessiert. Das einzige langweilige Buch, das sie geschrieben habe, sei A Game of the Living. Da habe sie einen Who-done-it-Roman verfasst und sei prompt gescheitert. Sie war jedoch fasziniert von der Entwicklung, Motivation und Reaktion von Gelegenheitsverbrechern, die wir ihrer Ansicht nach alle potentiell sind. Ein gewöhnlicher Mensch wurde für sie interessant, sobald er sich seiner Instinkte bewusst wurde. Dies sei der Motor ihrer Romane, wie es in ihrem Werkstattbuch Suspense heißt. In Astoria hatte sie diese Faszination für das psychologisch „abnormale“ entwickelt, die ihr Leben lang anhielt. Mit elf las sie Karl Menningers Monographie The Human Mind (1930), in dem der Psychiater und Psychoanalytiker die übliche Abgrenzung zwischen Normalität und Anormalität in Zweifel zieht. Für ihn war der Übergang fließend, der Kriminelle nicht per se geisteskrank, sondern durchschnittlich normal, wenngleich gesellschaftlich entgleist. Seine Darstellung der Kleptomanie, Pyromanie, Päderastie oder paranoiden Schizophrenie, seine Fallstudien über Serienmörder und geistesgestörte Gewaltverbrecher interessierten Highsmith mehr als die Märchen der Gebrüder Grimm, denn sie beschrieb die Realität, deren Gewalttätigkeit und Zersplitterung ein Klima existentieller Verunsicherung und Bedrohung schufen.
Bis auf wenige Ausnahmen, und dazu muss man wohl auch ihren Liebling Ripley zählen, sind Highsmiths Protagonisten keine Psychopathen, asozialen Außenseiter, Triebtäter oder Gewohnheitsverbrecher, sondern Opfer unglücklicher Umstände, unauffällige Durchschnittsbürger, respektiert und oft sogar sympathisch, deren Weg ins Verbrechen sie mit psychologischer Genauigkeit und Eindringlichkeit nachzeichnet. Die Spannung ergibt sich weniger aus der Handlung, als aus dem dramatischen Innenleben der Figuren, die nach einer Leidensbiographie aus Demütigungen und Frustrationen innerlich zerrissen sind. Sie befinden sich in einer Sackgasse, aus der sie sich unter Suspendierung von gesellschaftlichen Regeln, Zwängen und Moral durch einen Gewaltakt zu befreien suchen.
Highsmith verzichtet darauf, den Leser mit einem moralischen Ende oder Happy End aufzurüsten. Die allgemeine Passion für Gerechtigkeit empfand sie als langweilig und künstlich, denn weder das Leben noch die Natur kümmerten sich darum, ob der Gerechtigkeit Genüge getan werde. Inspirieren ließ sie sich von ganz alltäglichen Dingen. Sie erfinde nichts, sie lese nur die Zeitungen, von der ersten bis zur letzten Zeile, sagte sie. Eine Zeitung sei eine Anthologie grausamer Geschichten.
(Geschrieben von: Almut)
Patricia Highsmith - Bibliographie
Romane
1950: Strangers on a Train (Alibi für Zwei, 1967; Zwei Fremde im Zug, 1974)
1952: The Price of Salt (unter dem Pseudonym Claire Morgan, neu veröffentlicht unter ihrem eigenen Namen als Carol, 1990) (Carol. Roman einer ungewöhnlichen Liebe, 1990; Salz und sein Preis, 2005)
1954: The Blunderer (Der Stümper, 1962)
1955: The Talented Mr Ripley (Nur die Sonne war Zeuge, 1961, Der talentierte Mr. Ripley, 1971) (1. Ripley-Roman)
1957: Deep Water (Stille Wasser, 1963, Tiefe Wasser, 1976)
1958: A Game for the Living (Tod im Dreieck, 1969, Ein Spiel für die Lebenden, 1979)
1958: Miranda the Panda is on the Veranda (Kinderbuch; mit Dorothy Sanders)
1960: This Sweet Sickness (Der süße Wahn, 1964)
1962: The Cry of the Owl (Das Mädchen hinterm Fenster, 1964, Der Schrei der Eule, 1976)
1964: The Two Faces of January (Unfall auf Kreta, 1966, Die zwei Gesichter des Januars, 1974)
1964: The Glass Cell (Das unsichtbare Gitter, 1966, Die gläserne Zelle, 1976)
1965: A Suspension of Mercy (US-Titel: The Story-Teller) (Mord mit zwei Durchschlägen, 1967, Der Geschichtenerzähler, 1974)
1967: Those Who Walk Away (Venedig kann sehr kalt sein, 1968)
1969: The Tremor of Forgery (Das Zittern des Fälschers, 1970)
1970: Ripley Under Ground (Ripley Under Ground, 1972) (2. Ripley-Roman)
1972: A Dog’s Ransom (Lösegeld für einen Hund, 1974)
1974: Ripley’s Game (Ripley’s Game oder Regel ohne Ausnahme, 1976, Ripley’s Game oder der amerikanische Freund, 1977) (3. Ripley-Roman)
1977: Edith’s Diary (Ediths Tagebuch, 1980)
1980: The Boy who Followed Ripley (Der Junge, der Ripley folgte, 1980) (4. Ripley-Roman)
1983: People who Knock on the Door (Leute, die an die Tür klopfen, 1983)
1986: Found in the Street (Elsie’s Lebenslust, 1986)
1991: Ripley Under Water (Ripley Under Water, 1991) (5. Ripley-Roman)
1995: Small g: a Summer Idyll (Small g. Eine Sommeridylle, 1996)
Kurzgeschichtensammlungen
1970: Eleven Stories (US-Titel: A Snail-Watcher and Other Stories) (Gesammelte Geschichten, 1973, Schneckenforscher. Elf Geschichten, 1978)
1975: The Animal-Lover’s Book of Beastly Murders (Kleine Mordgeschichten für Tierfreunde, 1976)
1975: Little Tales of Misogyny (Kleine Geschichten für Weiberfeinde, 1975)
1979: Slowly, Slowly in the Wind (Leise, leise im Wind. Zwölf Geschichten, 1979)
1981: The Black House (Keiner von uns, 1982)
1985: Mermaids on the Golf Course (Nixen auf dem Golfplatz, 1985)
1987: Tales of Natural and Unnatural Catastrophes (Geschichten von natürlichen und unnatürlichen Katastrophen, 1988)
2001: The Selected Stories of Patricia Highsmith
2002: Nothing That Meets the Eye: The Uncollected Stories of Patricia Highsmith (in zwei Teilausgaben: Die stille Mitte der Welt/Die Augen der Mrs Blynn, 2002)
Sachbuch
1966: Plotting and Writing Suspense Fiction (Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt, 1985)
Patricia Highsmith - Auszeichnungen (Auswahl)
1946 O. Henry-Preis, Kategorie Best First-Published Story, The Heroine (Die Heldin, in: Der Schneckenforscher)
1951 Nominierung für den Edgar Allan Poe Award for Best First Novel der Mystery Writers of America, Strangers on a Train
1956 Nominierung für den Edgar Allan Poe Award for Best Novel der Mystery Writers of America, The Talented Mr Ripley
1957 Grand prix de littérature policière – International, Plein soleil – Monsieur Ripley (Der talentierte Mr. Ripley)
1963 Nominierung für den Edgar Allan Poe Award for Best Short Story der Mystery Writers of America, The Terrapin (Die Schildkröte, in: Der Schneckenforscher)
1964 Dagger Award – Kategorie Best Foreign Novel, The Two Faces of January
1975 Grand Prix de l'Humour Noir, L'Amateur d'escargot (Der Schneckenforscher)
1979 Svenska Deckarakademin - Grand Master, für das Lebenswerk
1990 Officier dans l'Ordre des Arts et des Lettres
1993 Suomen dekkariseura, für das Lebenswerk
Patricia Highsmith - Verfilmungen (Auswahl)
Strangers on a Train, USA 1951 (Zwei Fremde im Zug)
Plein Soleil, Frankreich 1959 (Nur die Sonne war Zeuge) [Vorlage: The Talented Mr Ripley]
Die gläserne Zelle, BRD 1977
Der amerikanische Freund, BRD 1977 [Vorlage: Ripley’s Game]
Dites-lui que je l’aime, Frankreich 1977 [Vorlage: This Sweet Sickness]
Eaux Profondes, Frankreich 1981 [Vorlage: Deep Water]
Le Meurtrier/L’Omicida. Frankreich/BRD/Italien 1982 [Vorlage: The Blunderer]
Ediths Tagebuch, BRD 1983
Tiefe Wasser, BRD 1983
Die zwei Gesichter des Januars, BRD 1985
Le Cri de Hibou, Frankreich 1987 (Der Schrei der Eule)
Der Schrei der Eule, BRD 1987
Der Geschichtenerzähler, BRD 1989 [Vorlage: A Suspension of Mercy]
Trip nach Tunis, Deutschland/Österreich 1993 [Vorlage: The Tremor of Forgery]
Strangers on a Train, USA 1999 (Ein nicht ganz perfekter Mord)
The Talented Mr Ripley, USA/Italien 1999 (Der talentierte Mr. Ripley)
Ripley’s Game, Italien/Großbritannien/USA 2002 (Ripley’s Game)
Ripley Under Ground, Deutschland/Frankreich/Großbritannien 2005 (Mr. Ripley und die Kunst des Tötens)
The Cry of the Owl, Großbritannien/Deutschland/Frankreich/Kanada 2009 (Der Schrei der Eule)
The Two Faces of January, USA 2014 (Die zwei Gesichter des Januars)
Carol, USA 2015
Patricia Highsmith - Rezensionen in Literatopia
Der talentierte Mr. Ripley
Zwei Fremde im Zug
Die zwei Gesichter des Januars
Venedig kann sehr kalt sein
Salz und sein Preis
Der Geschichtenerzähler
Ein Spiel für die Lebenden
- Biographie
- Bibliographie
- Auszeichnungen
- Verfilmungen
- Rezensionen in Literatopia
Patricia Highsmith - Biographie
![[Bild: highsmith-foto.jpg]](https://iza-server.uibk.ac.at/pywb/dilimag/20210113092156im_/http://www.literatopia.de/images/stories/Almut/highsmith-foto.jpg)
(Foto: © Simone Sassen)
Patricia Highsmith wurde am 19. Januar 1921 unter dem Namen Mary Patricia Plangman als einziges Kind der Mode-Graphikerin Mary Coates Plangman und des deutschstämmigen Jay Bernard Plangman im texanischen Fort Worth geboren. Die Eltern hatten sich neun Tage vor ihrer Geburt scheiden lassen. 1924 heiratete Mary Coates den New Yorker Werbetexter Stanley Highsmith. Drei Jahre später zog die Familie von Fort Worth nach Manhattan, New York. Obwohl sie Plangman hieß, meldete die Mutter sie unter dem Namen Highsmith an. Sie behielt den Namen, der legalisiert wurde, als ihr Stiefvater sie als Dreiundzwanzigjährige formal adoptierte. 1929 kehrte die Familie nach Fort Worth zurück, wo Highsmith die Stephen F. Austin Elementary School besuchte. Dort bekam sie den Anstoß zum Schreiben, als der Englischlehrer das Aufsatzthema „How I Spent My Summer Vacation“ (Wie ich meine Sommerferien verbracht habe) vergab. Ihre Geschichte über die Mammut-Höhlen in Kentucky, die die Highsmiths besucht hatten, weckte das Interesse ihrer Mitschüler, und sie spürte zum ersten Mal die Magie des Erzählens.
1930 zog die Familie wieder nach New York, diesmal nach Astoria, wo Highsmith die Schule am Ditmars Boulevard besuchte. Von 1933 bis 1934 parkte die Mutter sie bei der Großmutter in Fort Worth. Zurück in New York besuchte Highsmith die Julia Richmond High School. Ihre damaligen Lieblingsautoren hießen Edgar Allan Poe und Joseph Conrad. Mit sechzehn schrieb sie ein phantastisch-episches Gedicht im Stil von Tennysons Idylls of the Kings sowie die Erzählung Crime Begins, die von einem Mädchen handelt, das ein Buch aus der Bibliothek stiehlt. Die Geschichte ist autobiographisch, nur dass Highsmith den Diebstahl aus Angst vor Entdeckung und den zu erwartenden Schuldgefühlen nicht ausgeführt hatte, und wurde in der Schulzeitschrift „The Bluebird“ veröffentlicht. Im Januar 1938 schloss Highsmith die High School ab.
Ab September 1938 studierte Highsmith am Barnard College der Columbia-Universität in New York das Fach Englische Literatur. Ihre Mutter finanzierte das Studium und ließ ihr die freie Wahl. In der Zeit veröffentlichte Highsmith neun Erzählungen im „Barnard Quarterly“. Im Juni 1942 schloss sie das Studium mit dem Bachelor of Arts ab.
Ihr erstes Geld verdiente Highsmith ab Juni beim Verlag FFF Publishers als Editorial Assistant von Ben Zion Goldberg. Im November wurde ihr wegen Stellenabbau gekündigt. Da sie schriftstellerisch und zeichnerisch gleichermaßen begabt war, erhielt sie Ende 1942 eine Stelle als Autorin und Zeichnerin beim Comicverlag Michel Publishers. Die Arbeit stellte keine Herausforderung dar, aber sie konnte sich ein eigenes Zimmer leisten. Sie schrieb Erzählungen und begann zwei Romanmanuskripte. 1945 erschien ihre Erzählung The Heroine in „Harper’s Bazar“, für die sie lange keine Zeitschrift gefunden hatte. Schon damals hatte sie eine Neigung zum Schaurigen und Bizarren.
Nach einer mehrmonatigen Mexikoreise begann sie 1947 mit Strangers on a Train, den sie 1948 in der Künstlerkolonie Yaddo beendete. Dort begegnete sie ihrem späteren Verlobten Marc Brandel, von dem sie sich 1949 wieder trennte. Mehrere Verlage lehnten das Manuskript ab, sie glaubten nicht an die Geschichte eines Überkreuzmordes. Bei seinem Erscheinen 1950 stieß der Roman auf positive Resonanz bei Presse und Lesern. Alfred Hitchcock wurde aufmerksam und erwarb eine Woche nach Erscheinen für sechstausend Dollar die Filmrechte. Der Film hatte 1951 Premiere und machte Highsmith in den USA, Europa und Japan berühmt. Im gleichen Jahr veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Claire Morgan den Roman Carol (später The Price of Salt), der von einer lesbischen Liebe erzählt, einem Thema auch ihres letzten Romans, Small g: a Summer Idyll.
Von 1951 bis 1953 bereiste Highsmith Europa, vor allem Italien, England und Griechenland. Unklar ist, ob sie nur ihre Ruhe vor dem Medienrummel suchte oder von der politischen Entwicklung in ihrem Land enttäuscht war. Sie vertrat demokratische Ideale, war von 1939 bis 1941 sogar Mitglied der „Young Communist League“ gewesen. In ihren Romanen und Kurzgeschichten kritisierte sie die US-Politik, die McCarthy-Ära und den Vietnam-Krieg, explizit beispielsweise in Edith’s Diary.
Von Ende 1953 bis 1954 wohnte sie bei ihren Verwandten in Fort Worth, wo sie The Blunderer beendete. Im Jahr darauf folgte mit The Talented Mr Ripley der erste von insgesamt fünf Romanen mit ihrer Lieblingsfigur und ihrem Alter Ego Tom Ripley, dessen dandyeskes Leben zwischen Kunst und Verbrechen sie in vier weiteren Romanen schildert. The Talented Mr Ripley festigte ihren Ruhm als Thrillerautorin.
Nach wechselnden Aufenthaltorten, unter anderem in den Staaten und Mexiko, verließ sie 1964 die USA und zog ins ostenglische Suffolk, wo sie das Cottage Earl Sohan gekauft hatte. Trotz Doppelbesteuerung behielt sie jedoch ihre Staatsbürgerschaft bei. 1968 zog sie mit ihren zwei Katzen und diversen Schnecken (ihren Lieblingstieren) in das französische Dorf Montmachoux bei Samois-sur-Seine, 1970 in den Nachbarort Moncourt an den Ufern des Loing, unweit von Fontainebleau und Nemours. 1981 verließ sie Frankreich. Ein Steuerfahnder hatte ihr einen unangemeldeten Besuch abgestattet, um ihre Unterlagen zu prüfen. Als ehrliche Steuerzahlerin fühlte sie sich kriminalisiert. Sie zog ins schweizerische Dorf Aurigeno bei Locarno. Einige ihrer Freunde lebten dort in der Nähe, in Zürich saß ihr Hausverlag. Ab 1988 lebte sie in Tegna, Tessin.
Highsmith starb am 4. Februar 1995 im Krankenhaus von Locarno an Leukämie. Ihre Asche wurde auf dem Friedhof in Bellinzona begraben.
Seit ihrem Roman Strangers on a Train trägt Highsmith das Label Krimi- oder Thrillerautorin („mystery writer“). Sie wehrte sich gegen jede Kategorisierung und nannte sich selbst eine Geschichtenerzählerin. Ihre Faszination für das Grausame und Makabre, das vor allem in ihren Kurzgeschichten deutlich wird, verdankt sie zum Teil Edgar Allan Poe. Die düstere Atmosphäre von Bedrohung und Beklemmung in ihren 22 Romanen ist beeinflusst von den Noir-Romanen der dreißiger und vierziger Jahre. Die Themen erinnern an den Existentialismus von Nietzsche, Kafka, Dostojewskij, Kierkegaard, Sartre und Camus, die zu ihrem Lesestoff gehörten.
Highsmith hat sich nie für Detektivgeschichten und Rätselkrimis interessiert. Das einzige langweilige Buch, das sie geschrieben habe, sei A Game of the Living. Da habe sie einen Who-done-it-Roman verfasst und sei prompt gescheitert. Sie war jedoch fasziniert von der Entwicklung, Motivation und Reaktion von Gelegenheitsverbrechern, die wir ihrer Ansicht nach alle potentiell sind. Ein gewöhnlicher Mensch wurde für sie interessant, sobald er sich seiner Instinkte bewusst wurde. Dies sei der Motor ihrer Romane, wie es in ihrem Werkstattbuch Suspense heißt. In Astoria hatte sie diese Faszination für das psychologisch „abnormale“ entwickelt, die ihr Leben lang anhielt. Mit elf las sie Karl Menningers Monographie The Human Mind (1930), in dem der Psychiater und Psychoanalytiker die übliche Abgrenzung zwischen Normalität und Anormalität in Zweifel zieht. Für ihn war der Übergang fließend, der Kriminelle nicht per se geisteskrank, sondern durchschnittlich normal, wenngleich gesellschaftlich entgleist. Seine Darstellung der Kleptomanie, Pyromanie, Päderastie oder paranoiden Schizophrenie, seine Fallstudien über Serienmörder und geistesgestörte Gewaltverbrecher interessierten Highsmith mehr als die Märchen der Gebrüder Grimm, denn sie beschrieb die Realität, deren Gewalttätigkeit und Zersplitterung ein Klima existentieller Verunsicherung und Bedrohung schufen.
Bis auf wenige Ausnahmen, und dazu muss man wohl auch ihren Liebling Ripley zählen, sind Highsmiths Protagonisten keine Psychopathen, asozialen Außenseiter, Triebtäter oder Gewohnheitsverbrecher, sondern Opfer unglücklicher Umstände, unauffällige Durchschnittsbürger, respektiert und oft sogar sympathisch, deren Weg ins Verbrechen sie mit psychologischer Genauigkeit und Eindringlichkeit nachzeichnet. Die Spannung ergibt sich weniger aus der Handlung, als aus dem dramatischen Innenleben der Figuren, die nach einer Leidensbiographie aus Demütigungen und Frustrationen innerlich zerrissen sind. Sie befinden sich in einer Sackgasse, aus der sie sich unter Suspendierung von gesellschaftlichen Regeln, Zwängen und Moral durch einen Gewaltakt zu befreien suchen.
Highsmith verzichtet darauf, den Leser mit einem moralischen Ende oder Happy End aufzurüsten. Die allgemeine Passion für Gerechtigkeit empfand sie als langweilig und künstlich, denn weder das Leben noch die Natur kümmerten sich darum, ob der Gerechtigkeit Genüge getan werde. Inspirieren ließ sie sich von ganz alltäglichen Dingen. Sie erfinde nichts, sie lese nur die Zeitungen, von der ersten bis zur letzten Zeile, sagte sie. Eine Zeitung sei eine Anthologie grausamer Geschichten.
(Geschrieben von: Almut)
Patricia Highsmith - Bibliographie
Romane
1950: Strangers on a Train (Alibi für Zwei, 1967; Zwei Fremde im Zug, 1974)
1952: The Price of Salt (unter dem Pseudonym Claire Morgan, neu veröffentlicht unter ihrem eigenen Namen als Carol, 1990) (Carol. Roman einer ungewöhnlichen Liebe, 1990; Salz und sein Preis, 2005)
1954: The Blunderer (Der Stümper, 1962)
1955: The Talented Mr Ripley (Nur die Sonne war Zeuge, 1961, Der talentierte Mr. Ripley, 1971) (1. Ripley-Roman)
1957: Deep Water (Stille Wasser, 1963, Tiefe Wasser, 1976)
1958: A Game for the Living (Tod im Dreieck, 1969, Ein Spiel für die Lebenden, 1979)
1958: Miranda the Panda is on the Veranda (Kinderbuch; mit Dorothy Sanders)
1960: This Sweet Sickness (Der süße Wahn, 1964)
1962: The Cry of the Owl (Das Mädchen hinterm Fenster, 1964, Der Schrei der Eule, 1976)
1964: The Two Faces of January (Unfall auf Kreta, 1966, Die zwei Gesichter des Januars, 1974)
1964: The Glass Cell (Das unsichtbare Gitter, 1966, Die gläserne Zelle, 1976)
1965: A Suspension of Mercy (US-Titel: The Story-Teller) (Mord mit zwei Durchschlägen, 1967, Der Geschichtenerzähler, 1974)
1967: Those Who Walk Away (Venedig kann sehr kalt sein, 1968)
1969: The Tremor of Forgery (Das Zittern des Fälschers, 1970)
1970: Ripley Under Ground (Ripley Under Ground, 1972) (2. Ripley-Roman)
1972: A Dog’s Ransom (Lösegeld für einen Hund, 1974)
1974: Ripley’s Game (Ripley’s Game oder Regel ohne Ausnahme, 1976, Ripley’s Game oder der amerikanische Freund, 1977) (3. Ripley-Roman)
1977: Edith’s Diary (Ediths Tagebuch, 1980)
1980: The Boy who Followed Ripley (Der Junge, der Ripley folgte, 1980) (4. Ripley-Roman)
1983: People who Knock on the Door (Leute, die an die Tür klopfen, 1983)
1986: Found in the Street (Elsie’s Lebenslust, 1986)
1991: Ripley Under Water (Ripley Under Water, 1991) (5. Ripley-Roman)
1995: Small g: a Summer Idyll (Small g. Eine Sommeridylle, 1996)
Kurzgeschichtensammlungen
1970: Eleven Stories (US-Titel: A Snail-Watcher and Other Stories) (Gesammelte Geschichten, 1973, Schneckenforscher. Elf Geschichten, 1978)
1975: The Animal-Lover’s Book of Beastly Murders (Kleine Mordgeschichten für Tierfreunde, 1976)
1975: Little Tales of Misogyny (Kleine Geschichten für Weiberfeinde, 1975)
1979: Slowly, Slowly in the Wind (Leise, leise im Wind. Zwölf Geschichten, 1979)
1981: The Black House (Keiner von uns, 1982)
1985: Mermaids on the Golf Course (Nixen auf dem Golfplatz, 1985)
1987: Tales of Natural and Unnatural Catastrophes (Geschichten von natürlichen und unnatürlichen Katastrophen, 1988)
2001: The Selected Stories of Patricia Highsmith
2002: Nothing That Meets the Eye: The Uncollected Stories of Patricia Highsmith (in zwei Teilausgaben: Die stille Mitte der Welt/Die Augen der Mrs Blynn, 2002)
Sachbuch
1966: Plotting and Writing Suspense Fiction (Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt, 1985)
Patricia Highsmith - Auszeichnungen (Auswahl)
1946 O. Henry-Preis, Kategorie Best First-Published Story, The Heroine (Die Heldin, in: Der Schneckenforscher)
1951 Nominierung für den Edgar Allan Poe Award for Best First Novel der Mystery Writers of America, Strangers on a Train
1956 Nominierung für den Edgar Allan Poe Award for Best Novel der Mystery Writers of America, The Talented Mr Ripley
1957 Grand prix de littérature policière – International, Plein soleil – Monsieur Ripley (Der talentierte Mr. Ripley)
1963 Nominierung für den Edgar Allan Poe Award for Best Short Story der Mystery Writers of America, The Terrapin (Die Schildkröte, in: Der Schneckenforscher)
1964 Dagger Award – Kategorie Best Foreign Novel, The Two Faces of January
1975 Grand Prix de l'Humour Noir, L'Amateur d'escargot (Der Schneckenforscher)
1979 Svenska Deckarakademin - Grand Master, für das Lebenswerk
1990 Officier dans l'Ordre des Arts et des Lettres
1993 Suomen dekkariseura, für das Lebenswerk
Patricia Highsmith - Verfilmungen (Auswahl)
Strangers on a Train, USA 1951 (Zwei Fremde im Zug)
Plein Soleil, Frankreich 1959 (Nur die Sonne war Zeuge) [Vorlage: The Talented Mr Ripley]
Die gläserne Zelle, BRD 1977
Der amerikanische Freund, BRD 1977 [Vorlage: Ripley’s Game]
Dites-lui que je l’aime, Frankreich 1977 [Vorlage: This Sweet Sickness]
Eaux Profondes, Frankreich 1981 [Vorlage: Deep Water]
Le Meurtrier/L’Omicida. Frankreich/BRD/Italien 1982 [Vorlage: The Blunderer]
Ediths Tagebuch, BRD 1983
Tiefe Wasser, BRD 1983
Die zwei Gesichter des Januars, BRD 1985
Le Cri de Hibou, Frankreich 1987 (Der Schrei der Eule)
Der Schrei der Eule, BRD 1987
Der Geschichtenerzähler, BRD 1989 [Vorlage: A Suspension of Mercy]
Trip nach Tunis, Deutschland/Österreich 1993 [Vorlage: The Tremor of Forgery]
Strangers on a Train, USA 1999 (Ein nicht ganz perfekter Mord)
The Talented Mr Ripley, USA/Italien 1999 (Der talentierte Mr. Ripley)
Ripley’s Game, Italien/Großbritannien/USA 2002 (Ripley’s Game)
Ripley Under Ground, Deutschland/Frankreich/Großbritannien 2005 (Mr. Ripley und die Kunst des Tötens)
The Cry of the Owl, Großbritannien/Deutschland/Frankreich/Kanada 2009 (Der Schrei der Eule)
The Two Faces of January, USA 2014 (Die zwei Gesichter des Januars)
Carol, USA 2015
Patricia Highsmith - Rezensionen in Literatopia
Der talentierte Mr. Ripley
Zwei Fremde im Zug
Die zwei Gesichter des Januars
Venedig kann sehr kalt sein
Salz und sein Preis
Der Geschichtenerzähler
Ein Spiel für die Lebenden