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RE: 5 Wörter - Teil 45
Wie ein Meer aus Schatten erstreckte sich vor ihnen das feindliche Heerlager. Wenn Ardewan sich vorstellte wie viele Krieger es beherbergte wurde ihm ganz schwindlig. Aber seit Tagen hatte sich darin nichts bewegt.
„Was denkst du was die Treiben?“ Matos nervige Stimme neben ihm. Seid zwei Tagen war er mit ihm zum Dienst eingeteilt.
„Nichts.“
„Wie nichts?“
„Ich glaube sie tun nichts.“ Am liebsten hätte er seinen Kameraden herunter geschickt, in der Hoffnung, dass er niemals wiederkehrte, aber diese Entscheidung konnte nur ihr König treffen. Aber dieser hatte – in seiner biederen Art – entschieden erst einmal abzuwarten, was das feindliche Heer tat.
„Abwarten und beobachten.“ So lauteten die Anweisungen. Den Rest ihrer gemeinsamen Wachzeit verbrachten sie schweigend und wie jeden Abend verkündete Ardewan seinem Hauptmann: „Keine Vorkomnisse.“
Wenn man ihn gefragt hätte, dann hätten sie sich diesen Wachdienst sparen können. Mit Leichtigkeit hätte ihr Heer, dass des Feindes besiegen können. Aber so war das nunmal mit den Politikern: Sie entschieden einfach ohne jemanden zu fragen und schon gar nicht denjenigen, der die Befehle ausführen musste.
Selbstverständlich hatte er am folgen Tag wieder Wachdienst mit Matos. Danach wurde auch nicht gefragt. Er versuchte so gut es ging, sich in sein Schweigen zu hüllen.
Dann geschah etwas unerwartetes: Es kam Bewegung in das feinliche Lager. Zeltplanen wurden zurückgeworfen. Waffen und Rüstungen klapperten und Stimmen brüllten Befehle.
„Müssen wir das melden?“ Am liebsten hätte Ardewan den Kopf geschüttelt, doch er war sich selbst nicht sicher. Was taten die da unten?
„Wir beobachten sie erstmal“, entschied er dann und wagte sich so weit es ging an den Abgrund heran. Genau deshalb hatten sie diesen Hügel als ihren Beobachtungsposten ausgesucht: Sie konnten das Lager beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Zusätzlich hatten sie sich in rostbraune Umhänge gehüllt, damit waren sie so gut wie unsichtbar.
Dann kehrte wieder Ruhe ein und das Lager lag wieder still und friedlich vor ihnen.
„Meinst du wir müssen das melden?“, wieder Matos Stimme, diesmal gedämpft unter dem Mantel.
„Ich kann es ja mal erwähnen“, flüsterte er zurück und damit senkte sich wieder Schweigen über sie.
Gewissenhaft berichtete Ardewan seinem Hauptmann von dem kurzen Aufruhr, doch dessen Mentalität unterschied sich nicht sonderlich von der des Königs und so wurde die Neuigkeit zu einer Randnotiz in seinem Bericht.
Mit dem ersten Tageslicht kam auch das feindliche Heer. Wie es ihnen gelungen war sich unbemerkt zu sammeln wusste Ardewan nicht, es war nun auch nicht mehr wichtig. An diesem Tag wurden sie vom Feind überrannt.
Wer nicht kann, was er will, muss das wollen, was er kann. Denn das zu wollen, was er nicht kann, wäre töricht. -Leonardo da Vinci-
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