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Flammende Herzen

Die Literaturkommission für Westfalen arbeitet die hiesige Trivialliteratur auf. Ein Projektbericht

Warum beschäftigt sich die Literaturkommission für Westfalen mit Titeln wie „Glauben Sie an die Liebe, Baroneß?“, „Die schöne Herrin von Warrenburg“, „Das Superweib“, „Wiedertäufervampire“ oder „Schüsse im Geistertal“? Kommissionsvorsitzende Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf: „Wir haben uns diesmal Literaturgattungen zugewandt, die normalerweise abseits des wissenschaftlichen Interesses stehen. Dabei erzielten die genannten Titel teilweise Millionenauflagen. Wir waren selbst überrascht, dass die westfälische Literatur in dieser Hinsicht ein schier endloses Reservoir für Entdeckungen bietet.“ Gemeint sind etwa die 1.200 Western, die Günter Bajog unter 31 (!) Pseudonymen wie Jack Slade, Bill Murphy veröffentlichte, oder die Kult-Serie „John-Sinclair“ des Dortmunds Helmut Rellergerd mit einer Auflage von über 260 Millionen Exemplaren. „Wir haben den Blick aber auch in die Vergangenheit gerichtet“, ergänzt Wagner-Egelhaaf. „Wer weiß heute schon, dass es eine westfälische Variante des ‚Robinson Crusoe’ und ‚Die Leiden des jungen Werther’ gibt?“

Mit der Ausstellung, die im Herbst 2007 im „Museum für Westfälische Literatur“ eröffnet wird, erweitert die Kommission ihr Aufgabenspektrum um den Bereich der Popularkultur. Am Begleitbuch beteiligen sich einerseits Literaturwissenschaftler/innen, andererseits aber auch Journalisten/innen und Schriftsteller/innen, unter ihnen Wiglaf Droste, Ralf Thenior und Michael Klaus. Jedem vorgestellten Buch sind im Begleitbuch vier Seiten im Din-a-4-Format gewidmet. Auf Seite eins findet sich ein Foto des Buchs, auf den Seiten zwei und drei der zugehörige Essay, während die vierte Seite für einen Textauszug reserviert ist. Das früheste behandelte Buch stammt aus dem Jahre 1777. Es handelt sich um eine Werther-Parodie aus der Feder des westfälischen Pastors und Volksaufklärers Moritz Schwager. Goethe ist gleich noch ein zweites Mal vertreten mit Wilhelm Pustkuchen-Glanzows „Wilhelm Meisters Meisterjahre“, ein Werk, das anonym erschien und großen Dichterfürsten in Rage versetzte, weil er in der Öffentlichkeit für den Verfasser gehalten wurde. Im 19. Jahrhundert begegnen dann der Kriminalschriftsteller Jodocus Temme, der über das Familienblatt „Die Gartenlaube“ in ganz Deutschland bekannt war, sowie mit dem Droste-Hülshoff-Freund Levin Schücking einer der meistgelesenen Romanciers seiner Zeit. Bald darauf machten schriftstellernde Frauen den Herrn das Reich der schönen Literatur streitig. Stellvertretend hierfür ist Clara Ratzka mit Titeln wie „Die blaue Adria“ (1916). Bemerkenswert ist, dass die Autorin mit seichten Lesestoffen reüssierte, sich andererseits aber in der Frauenbewegung engagierte. Die Namen der Trivialautoren der folgenden Jahrzehnte sagen heute kaum noch etwas. Buchtitel wie die oben genannten sind austauschbar und begegnen heute noch am Kiosk oder an der Kasse eines Supermarktes. Der Bastei-Lübbe-Verlag gründete hierauf sein Verlagsimperium mit einer Gesamtauflage von über 2 Milliarden (!) Exemplaren. Die jüngsten behandelten Titeln stammen von Bestsellerautorinnen heutiger Tage, darunter beispielsweise Hera Linds „Das Superweib“ aus dem Jahre 1994.