16.10.
Idee für Romantitel: Otto Normalverbrauchers Glück und Ende. Erst einmal einwirken lassen.
24.10.
Ein Herr Doktor Mumelter von der Stadtbibliothek Meran hat angerufen und will mich für eine Dichterlesung im Frühjahr verpflichten. Er hat ausdrücklich das Wort Dichterlesung verwendet, nicht einfach bloß Lesung. Na also. Aber wie der geleiert hat, nicht anzuhören. Angeblich leiern alle Südtiroler. Und alle heißen Mumelter. Das Leiern kommt wohl von Oswald von Wolkenstein. Fritz meint, hinter der Südtiroler Artikulationslahmarschigkeit und dem gutturalen Geleier verbirgt sich aber allzu oft padanisches Dynamit. Fritz hat mir aber auch viel von den landschaftlichen Schönheiten Südtirols erzählt. Werde brieflich prinzipiell zusagen. Außerdem eine Gelegenheit, nach so vielen Jahren Fritz wiederzusehen. Hatte neben Kopfschmerzen auch wieder Rachenschmerzen, Atemnot, Schwindelanfälle.
27.10.
Fritz meint, Meran sei ischlerischer als Ischl. Chronisches Kaiserwetter. Außerdem die Zedern, die Aurakien, die duftumwobenen Hochgebirge, die weißen Riesen. Meran ist gut gegen Tuberkulose, die Tuberkulose aber freilich nicht gut für Meran. Viele Meraner stecken sich an der von der mondänen Kurgesellschaft mitgebrachten TBC an und sterben jämmerlich. Des einen Freud, des andern Leid. Aber Fritzens saurem Nierndl geht es gut in Meran. (S. 22)
Fitness for Europe, naja
Politisch bin ich - mit Altmeister Grünmandl gesprochen - vielleicht ein Trottel: Bei sämtlichen Volksbefragungen, Abstimmungen, Urnengängen, Wahlen meines Lebens bin ich auf kommunaler, regionaler, nationaler, internationaler Ebene ausnahmslos bei den Wahlverlierern und denen gewesen, die sich dem politischen Willen der Mehrheit beugen mußten. Urnengänge erzeugen bei mir automatisch Abbruchstimmung. Immerhin hält beugen fit und regt den Kreislauf an. Und zu den Favoriten, den Siegern und den Mächtigen zu halten wäre ordinär. Manchmal habe ich es mit meinem exotischen Kreuzchen auf Erdrutschniederlage und Debakel förmlich angelegt, das ist mein gutes Recht als Demokrat. Ganz besonders überfordert mich offen gesagt die europäische Europapolitik. Damals, 1994, habe ich, weil links und rechts alles so enorm auf historisches Verantwortungsbewußtsein gemacht haben und so viele ebenso gut wie seriöse Argumente sowohl für als auch gegen den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gebracht haben, sowohl ja als auch nein angekreuzt. Ich nehme an, mein Votum war bei aller Weisheit und Weitsicht ungültig, aber auf komplizierte Fragen gebe ich eben komplizierte Antworten. Das ist mein gutes Recht als Demokrat. (S. 47)
© 1999, Amalthea, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.