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Margret Kreidl: Mitten ins Herz.

Wien: Edition Korrespondenzen, 2005.
48 S.; brosch.; sign.; Eur 9,50.
ISBN 3-902113-37-5.

Link zur Leseprobe

Wer oft auf Reisen ist, lernt die Vorteile von Instantgerichten schätzen: Sie sind platzsparend und leicht, die wichtigsten Zutaten kehren kaum abgewandelt immer wieder und sorgen so für wohltuende Wiedererkennungs- und Gewöhnungseffekte. Eine Tasse heißes Wasser verwandelt das staubige Zeug in eine sättigende Mahlzeit für unterwegs.
Margret Kreidl wurde bei häufigen Bahnfahrten auf die literarische Variante des Instantproviants aufmerksam - den Heimatroman in Heftchenform. Dessen Vorteile und Eigenschaften sind dieselben wie oben, aufgegossen wird allerdings eher mit Tränenflüssigkeit. Die trivialen Texte verwendet die experimentierfreudige Theaterautorin als Ausgangsmaterial für eigene Kreationen. Kreidl kocht die literarische Fertigkost auf wenige zentrale Sätze ein und würzt das Konzentrat mit einem kräftigen Schuss - und sonst nichts. Das Resultat: sechzehn aus wenigen Zeilen bestehende Heimatromanzen mit letalem Ausgang, erstmals veröffentlicht 1996 unter dem Titel "Schnelle Schüsse". Die Kurzkrimis hat Kreidl für "Mitten ins Herz", erschienen im Frühjahr 2005 in der Edition Korrespondenzen, überarbeitet und um 90 Kürzestbiografien erfolgreicher Liebesromanautorinnen ergänzt.

Es ist dieser immer wiederkehrende Schuss im ersten Teil des schmalen Bändchens, der das melodramatische Gebalze in rustikalem Ambiente nicht nur erträglich, sondern sogar vergnüglich macht. Das drastische Finale der kurzen, äußerst kitschigen Texte empfindet man beim Lesen als eine Art Gnadenschuss - auf den man sich nach einer kurzen Eingewöhnung schon freut. Es macht Spaß, dabei zu sein, wie Seite für Seite eine Heimatschnulze nach der anderen liquidiert wird: die Wilderergeschichte mit dem "jungen Grenzer" - "Ein Schuss." Das alpine Eifersuchts- und Almabtriebsdrama - "Ein Schuss." Der heldenhafte Einsatz des freiwilligen Feuerwehrmannes - "Jubel. Tusch. Ein Schuss."
Souverän arbeitet Margret Kreidl mit dem Klischee-Arsenal ihrer Vorlagen. Die Natur etwa wuchert grundsätzlich üppig und ist genauso weich, warm und feucht wie die Protagonistinnen der bukolischen Liebesszenen. Geseufzt wird viel in Dorf und Wald, meist unmittelbar vor dem erlösenden Knall. Sätze wie "Die Feuerwehrmänner arbeiten tüchtig und schnell" zeigen die stilistische Verwandtschaft des Heftchenromans mit Lesetexten für Grundschüler auf. Sprachlich trifft Kreidl bei ihren Heimatsatiren mitten ins Schwarze, leicht zu schreiben waren die schmalztriefenden Texte in all ihrer Banalität aber mit Sicherheit nicht.

Manche der Kürzestgeschichten sind soweit reduziert, dass sie sogar ohne menschliche Protagonisten auskommen. Da fällt der Schuss dann inmitten einer Auflistung geologisch-gebirgiger Termini (was sind zum Beispiel "Kare und Schratten im Kalk"?), beim Aufzählen der Bestandteile einer zünftigen Brettljause oder am Ende einer Liste von besonders blumigen Blumennamen. Letztere endet bezeichnenderweise mit "Mannsblut".
"Es trifft auf jeden Fall immer die Männer", hat die Autorin, die man gerne für die anonyme Serienkillerin halten möchte, beim Erscheinen von "Schnelle Schüsse" gesagt. Beim Schilehrer-Minikrimi kann man ihr zwar widersprechen ("Der Schilehrer seufzt. Der Wind bläst den Schnee vom Kamm. Der Schilehrer schaut durch das Fernglas. Ein Schuss. Die Bindung an ihrem linken Fuß hat sich nicht gelöst."), tatsächlich lassen aber die meisten Geschichten erahnen, dass vor allem die feschen männlichen Protagonisten in Kreidls Krimistadl zu Schießbudenfiguren werden.

Ohne männliches Personal und folglich ohne Schießgewehr kommt die Autorin bei den anschließenden Kurzbiografien erfolgreicher Serienromanautorinnen aus. Das Verfahren ähnelt dem der "Schnellen Schüsse": vorhandene Texte werden von allem Überflüssigen befreit und auf einige zentrale Sätze (gelegentlich nur einen) eingedampft. Die Ausgangstexte stammen größtenteils von den Autorinnen selbst bzw. von ihren Homepages. Das Resultat sind peinliche Selbstbeweihräucherungen ("Hauptberuflich dreht sie TV-Werbefilme für eine Werbeagentur in Phoenix, Arizona. Außerdem arbeitet sie als Eheberaterin, gibt Religionsunterricht und hält Vorträge über Psychologie"), Banalitäten à la "Durch jeden Liebesroman, den sie schreibt, kommt sie sich selbst näher" oder Texte, die man auch als dringende Kaufwarnung verstehen kann: "Einmal hat sie ein Buch in vier Tagen geschrieben, durchschnittlich braucht sie zwei Wochen für einen Roman."

Keine Frage: Diese Miniaturen sind um nichts weniger boshaft oder treffsicher als die im ersten Teil des Buches, auch wenn weit und breit keine Schusswaffe in Sicht ist. Dafür ist die Schlusspointe ein Knaller - doch diese sei hier nicht verraten.

Georg Renöckl
31. Jänner 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

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