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Leseprobe: Günther Nenning - "Anders gesehen"

Ich mag den Papst.

Wie oft kommt der Papst nach Österreich?

"Österreich ist kein Land, sondern eine Religion." Dieser Satz stammt von Joseph Roth, Verfasser der Romane "Radetzkymarsch" und "Kapuzinergruft". Wenn also Österreich ohnehin eine Religion ist, das heißt, so meint es der große Austriake wohl: nicht so sehr Land, das sich immer wieder in mannigfachen Untergängen befand, sondern aus eben diesem Grunde ein Glaube, eine Hoffnung, eine Liebe - so erhebt sich die Frage: Braucht der Österreicher außer dieser seiner eigenen Religion sonst noch eine Religion?
Die tausendjährige österreichische Geschichte, wenn man die uralte Alpenkultur einbezieht, ist sie noch vieltausendjähriger - diese Geschichte ist ein permanenter Härtetest: Was braucht der Österreicher sonst noch außer Österreich?
Zur Zeit des Papstbesuches im Juni 1998 gab es in Wien ZWEI religiöse Zentren, dicht benachbart: auf dem Heldenplatz, wo Hitler 1938 seine Triumphrede hielt, ein riesiges Zeltdach für die Papst-Messe; auf dem Rathausplatz, wo am 1. Mai immer noch die Sozialisten aufmarschieren, eine riesige TV-Leinwand, vor der die Gläubigen der Fußballreligion gemeinsam die WM-Messe feiern können.
Zwei Feste des Glaubens: hie der alte Papst - hie das ewig junge Leder. "Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen", ist der Kirche vorausgesagt in der Bibel. Solchen Trostes bedarf der Fußball nicht.
Man weiß nicht, warum der Papst schon das dritte Mal in dieses kleine, größeren Problemen sich sorgsam entziehende Land reist. Man weiß nur: die Reiselust des Papstes steigt direkt proportional mit seinem Alter.
Wie oft wird der Papst noch nach Österreich reisen? Wenn Johannes Paul II so weitertut wie bisher, und das ist zu erwarten, wird er wohl so öffentlich sein Sterben vorführen, wie er derzeit und bis auf weiteres öffentlich seine Hinfälligkeit vorführt. Das hat Größe. Er könnte sich ja auch ins Spital legen und in Ruhe dahingehen. Vermutlich aber wird's ein TV-Tod bei der Messe in einem nahen oder fernen Land. Wer Vergleiche liebt, kann an die hektische Reisetätigkeit seines Namensvetters denken, des Apostels Paulus. Man kann aber auch ganz schlicht meinen, korrekt multikulti-pluralistisch, agnostisch, atheistisch, humanistisch oder wie man sonst will: Hier strengt sich einer an, das Seine zu tun, in guter Absicht. So ein Bemühen kann gelingen oder misslingen - in Österreich wird es wohl austriakisch mittendurch sein.
(S. 127 f)

© 2002, Ueberreuter, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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