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Leseprobe
Verödete Menschenstummel, Lebewesen kränkeln vom langen Aufenthalt in stickigen Herzkammern. Da ist ein Schweinskopf zu sehen, Pinocchio trägt eine grüne Brille. Gesichter randvoll mit Bösartigkeiten; auch eine Puppe wie ein Mädchen ist auf dem Weg. Ich blicke ins gräßliche Maul eines sprechenden Mannes; ganz von selber verzieht sich mein Gesicht, ich bewahre aber trotzdem Ruhe und Besonnenheit. [... ] Person schaut mit Augen groß wie Butzenscheiben; ihr ungewaschener Kopf, unterm Fett ersticken die Haare. – Geschminkte Truthenne mit kahlem Hals; aus ihren Ärmeln ragen Fleischerhände. An allen Ecken lauert jedermanns Polizist in braven Hosen und wartet. Mütter und Väter haben Grütze im Kopf, Söhne und Töchter haben Grütze im Kopf. Gehe ich durch die Straßen, stehe ich auf der Seife; an manchen Tagen ist die ganze Welt eingeseift. Menschen quellen aus allen Ritzen und Fugen, ich sehe einen saufarbenen Rauhhaardackel. Als neues Tier wachse ich in die Höhe: ein Riese, weiß und gespenstisch. Ich töte eine Taube und durchquere eine Lache Pferdebrunze. (S. 81f)
Menschen werden von Pelzhüten erdrückt. Aus ihren blauen, eiskalten Köpfen schauen Säugetiere und die Kaltblütler des Waldes. Ich sehe einen Mann in der Art einer Preßwurst. Eine Frau trägt als Kappe oder Strickwerk einen Bienenkorb, eine andere eine wollene gelbe Pagode auf ihrem Kopf. Diese Alte beispielsweise schleppt sich auf einem vierkralligen Stock durch die Gegend; bei genauerem Hinschauen sehe ich, sie ist der Meeresgott Poseidon. Frisch strahlt's vom Himmel, das bißchen Sonne kitzelt in der Nase; die Bewohner im Norden müssen niesen. Ungeduldig klingelt die katholische Straßenbahn. Nebenbei stürzt ein Betrunkener ans Tageslicht. Der ranzige Mann speit seine Innereien an die Hausmauer, das geschwefelte Innenleben bleibt als Gruß aus der Hölle einige Tage lang am Mauerwerk picken. Auf dem Trottoir gefrieren Hundescheiße und Spucke. Bei der nächsten Kreuzung angelangt, denke ich an den Herrn Jesus Christus. Dichte Bewölkung hätte uns geschützt, vergangene Nacht riß uns der Frost die Kacheln von der Wand. Eisblumen wuchern über die Auslagen der Geschäfte. Ein Passant trägt eine Wintermütze wie der Kaiser von China, ein anderer eine mongolische Winterkappe: das Pelzrad ist groß wie ein Reifen oder Adlerhorst. (S. 115f)
© 2007 Otto Müller Verlag, Salzburg.
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