Wir verließen Schlägl und hatten nicht einmal eine Kiste mit Schlägler Bier als Souvenir mitgenommen. Was für ein Versäumnis! Auf landschaftlich überaus reizvollen Wegen bei atemberaubenden Herbststimmungen mit Nebel-Sonnenschein-Mischungen fuhren wir bis zu dem Städtchen Haslach, wo wir kurz vor Mittag eintrafen. Gleich außerhalb des Stadtplatzes entdeckten wir ein Haus, das wohl einmal einem jüdischen Bürger von Haslach gehört hatte. Die monarchistisch gelbe Färbelung des Hauses regte die Phantasie der Besucher ebenso an wie die Judensterne und der insgesamt etwas ramponierte Zustand des Hauses. Ich wollte mich erkundigen, was mit dem Haus sei, doch dann vergaß ich wieder darauf. Beim Herumspazieren verging wertvolle Zeit, weshalb uns wieder einmal der weltliche Teil des Programms, ein Besuch im Webermuseum, verwehrt blieb.
Wir hielten uns also an die Pfarrkirche zum heiligen Nikolaus mit ihrem frei stehenden Turm. Das augenfälligste Kunstwerk in der Kirche ist das Netzrippengewölbe: Die dunkelgrauen Rippen sind bloßer Schmuck, sie haben keinerlei statische Funktion. Mit den Augen folgt man den Linien, entziffert Sterne, Kreise und merkwürdige Formen, mit denen man im Mathematikunterricht nie behelligt wurde. Eine Linie allein bedeutet nichts, alle zusammen bilden ein geometrisches Schmuckstück.
(S. 113)
© 2003, Mandelbaum, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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