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Paul Celan, Gisèle Celan-Lestrange: Briefwechsel

Gelesen von Bodo Primus und Eva Garg
Auswahl und Einleitung: Barbara Wiedemann
3 CDs
Spielzeit: ca 222 Min.
ISBN 3-89584-719-4
München: der hörverlag, 2002

Selten ist die Ausgabe eines Briefwechsels und auch die dazugehörige Hörbuchversion (interessanterweise eine Produktion des Saarländischen Rundfunks 2001) so hymnisch aufgenommen worden wie jene von Paul Celan und Gisèle Celan-Lestrange. Das beweisen allein schon die Titel von Besprechungen der 2001 erschienen Buchausgabe: "Uns zu trennen wäre der Sieg unserer Feinde" (Ernst Osterkamp in der FAZ, 21. 4. 2001), "Liebe, zwangsjackenschön" (Beatrice von Matt, NZZ, 1.7.2001), "Der Verband der Weltvertriebenen" (Richard Reichensperger, Der Standard, 30.6.2001), oder die des Hörbuchs: "Sprachbunker der Liebe" (Felicitas von Lovenberg, FAZ, 13.7.2002). Tatsächlich ist der 30 Jahre nach dem Freitod Paul Celans herausgegebene Briefwechsel inhaltlich ein berührendes Dokument einer Liebe und editorisch ein Musterbeispiel seiner Gattung - dem auch die Gestaltung des Hörbuchs nicht nachsteht.

Aus rund 700 Briefen zwischen Dezember 1951 und März 1970 wurden etwa 100 für das Hörbuch, respektive den Hörfunk ausgewählt (und vom Suhrkamp Verlag sowie dem Herausgeber der französischen Originalversion Bertrand Badiou autorisiert), und es kann als große Leistung angesehen werden, dass die Leitthemen des ungewöhnlich umfangreichen Briefwechsels in dieser kleinen Auswahl präsent bleiben.
Das immerhin 23 Seiten starke booklet ermöglicht ein rasches Auffinden der Briefe in der deutschen Ausgabe (eingerichtet von Barbara Wiedemann), gefolgt von einer Einführung zum Briefwechsel und Kurzbiografien der beiden Briefpartner sowie eine Vorstellung der Sprecher.
Das Außergewöhnliche der deutschen Buchausgabe wie des Hörbuchs liegt in der Tatsache, dass Paul Celan und Gisèle Celan-Lestrange ihre Korrespondez ausschließlich in französisch führten, wir also mit Übersetzungen konfrontiert sind. Französisch war die Alltagssprache Celans geworden, der seit 1948 in Paris lebte - Deutsch war seine Dichtersprache, die er nach und nach anhand seiner Gedichte auch seine Frau lehrte. Die Korrespondenz deckt fast vollständig den Zeitraum ab, in dem Celan in Frankreich lebte, von seiner ersten Lesung in Deutschland bei der Tagung der Gruppe 47 im Jahr 1952, von der er einen berührenden, sensiblen brieflichen Bericht gibt, in dem er seismografisch genau die Entwicklung in Nachkriegsdeutschland wahrnimmt - bis zu seiner letzten öffentlichen Lesung im März 1970. Bereits die ersten Briefe, die das Paar, das sich 1951 kennenlernte und 1952 gegen den Willen ihrer Familie heiratete, offenbaren tiefen Respekt vor einander und große Zuneigung, die die beiden trotz aller "Dramen" ihres gemeinsamen Lebens bewahrten. Die Briefpartner - Gisèle Lestrange entstammt dem katholischen Hochadel - verwenden immer wieder das in noblen Kreisen nicht unübliche Sie, häufig gerade dort, wo sich große Nähe ausdrückt. Durch diese konterkarierende Höflichkeit und die Beibehaltung fast aller französischen Kosewörter schwingt in der Übersetzung dennoch etwas vom Flair des Originals mit.

Die Hörbuchversion folgt der Buchausgabe insofern, als sie die drei Zeitabschnitte der Korrespondenz beibehält: Die Zeit des Kennenlernens, des gegenseitigen Sich-Vergewisserns, die zweite Phase des gemeinsamen Lebens und Arbeitens bis 1967, unterbrochen von zahlreichen Auslandsaufenthalten Celans, vorwiegend in Deutschland auf Leserreisen, Verlagskontakte zu pflegen u.ä., geprägt auch durch den frühen Tod des ersten Sohnes und Celans Wiederaufnahme der Liebesbeziehung zu Ingeborg Bachmann. Schließlich die dritte Phase nach der Trennung, in der sich die beiden nur noch bei besonderen Gelegenheiten sehen, Bilder aus der Vergangenheit, Berichte über den Sohn und die künstlerische Arbeit eine gelebte Beziehung ersetzen müssen.

Der Briefwechsel jener außergewöhnlich ebenbürtigen Partner beginnt mit Gisèle Lestranges erstem erhaltenen Brief an Celan. Die Bedeutungsfelder "Ruhe" und "Frieden" durch und in der Beziehung nehmen einen zentralen Stellenwert ein und scheinen bereits auf die späteren Jahre von Celans nicht aufzuhaltender psychischer Zerrissenheit vorauszuweisen. Angst und Furcht, Hoffnung, Wahrhaftigkeit und Klarheit, Standhalten und die versuchte Gegenwelt ihrer Beziehung bilden den Kern des Briefwechsels - auch dort, wo es um künstlerische Arbeit, Lektüre, Bekannte und Freunde oder das tägliche Leben geht.
Die Stimme von Eva Garg, die Zurückhaltung der professionellen Sprecherin, verleihen den Briefstellen eine große, noble Tiefe - gleichgültig ob es sich um Themen der jungen Geliebten, der Ehefrau oder der Künstlerin handelt, gleichgültig, ob es um die leise Furcht einer Frau geht, die sich - zu Unrecht - als für den Dichter nicht sprachgewandt genug erlebt, oder die Gefährtin, die bemüht ist, Celans labiles seelisches Gleichgewicht - fast jede Lesereise in Deutschland führte ihn in eine Krise, ganz abgesehen von den zerrüttenden Folgen der Plagiatsvorwürfe von Claire Goll - zu stützten und aufzurichten. Immer wieder berührend ist das Vertrauen, das die beiden Eheleute verbindet, die brieflichen Vergewisserungen, dass ihre Liebe alle Anfechtungen überleben wird: "Wir sind es noch immer" wird zum Leitsatz ab Mitte der sechziger Jahre, die von zahlreichen Klinikaufenthalten Celans zerrissen sind, und beide versuchen dieses Motto selbst dann noch aufrechtzuerhalten, als Gisèle Celan-Lestrange ihren Mann um die Trennung bitten muß. Um die Gründe wissen wir heute, direkt angesprochenes Thema der Briefe sind sie genauso wenig wie die Liebesaffäre mit Ingeborg Bachmann.

In den Briefen der letzten Jahre teilt sich Celan fast nur mehr über seine Gedichte mit - mit oder ohne begleitende Übersetzung - Gedichte als Gespräch, eine letzte Bastion eines Lebens in psychiatrischen Kliniken.
Bodo Primus, der Celan seine Stimme leiht, auch er ganz Sprecher und nicht Schauspieler, gelingt es, kaum interpretierend, die vornehme, respektvolle Haltung, die die Briefe bis zum Schluß prägt, hörbar zu machen.
Die von Barbara Wiedemann gesprochenen Überleitungen sind klug und knapp, störend ist leider die etwas schrille Kluft zu den professionellen Sprechern.

Originalbeitrag

Ulrike Diethardt
5. März 2003

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