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Leseprobe: Lilian Faschinger - "Paarweise. Acht Pariser Episoden."

"Ich kommuniziere mit meinen Klienten ausschließlich per Telefon", hatte Madame Odile zu ihr gesagt, nachdem Pascale schließlich gewagt hatte, sie anzurufen. "Die Stimme eines Menschen sagt mir alles. Genuine Medien wie ich müssen ihre Gabe schützen und in äußerster Zurückgezogenheit leben."
Ihr Telefontarif war nicht gerade niedrig, aber es lohnte sich. Madame Odile hatte ihre Existenz verändert. Pascale dankte Gott dafür, dass er sie an einem regnerischen Morgen vor drei Jahren in der Metrostation Barbès mit einem Schwarzen hatte zusammenstoßen lassen, der ihr eines dieser Kärtchen mit den Telefonnummern diverser Magier, Wahrsager und Hellseher aufgedrängt hatte. Reichtum, Liebe, Glück innerhalb von vierzehn Tagen. Bei Nichteintreten Geld zurück. Im Begriff, es wegzuwerfen, hatte sie unwillkürlich innegehalten und das Kärtchen in die Tasche gesteckt. Ihre Intuition hatte sich als richtig erwiesen.
Die Grünalgen schmeckten ausgezeichnet. Sie fühlte sich wesentlich besser, seit sie Madame Odiles Ernährungsvorschläge berücksichtigte.
"Ich bitte Sie, achten Sie auf Ihre Aura", hatte das Medium gesagt, "Ihre Aura ist sehr empindlich. Hellrosa mit einem Stich ins zarteste Orange. Gandhis Aura war ähnlich. Mit einer solchen Aura wäre es Wahnsinn, Fleisch zu essen."
Natalie aß Fleisch. Zu ihrem einunddreißigsten Geburtstag vor vier Wochen hatte ihre Schwester sie zu Chartier in der Rue du Faubourg-Montmartre eingeladen. Sie hätte ablehnen sollen. Man konnte nicht erwarten, dass ein derart grob strukturiertes Naturell Rücksicht auf ihre feinstoffliche Anlage nahm. Erstens war sie eine halbe Stunde zu spät gekommen, und sie hatte sehr viel Energie aufwenden müssen, um in dem gedrängt vollen Restaurant mit den insolenten Kellnern den Platz für Natalie freizuhalten. Und dann hatte ihre Schwester die Kaltblütigkeit besessen, in ihrer Gegenwart Schafshirn zu bestellen. Sie hatte sprachlos auf den Teller mit den kleinen Halbkugeln gestarrt, die mit ihren zierlichen Windungen ausgesehen hatten wie die Miniaturausgaben menschlicher Hirnhälften. Natalie hatte ihren Blick nicht einmal bemerkt und es sich schmecken lassen. Sie waren sehr verschieden. Nicht dass sie je hätte sein wollen wie ihre jüngere Schwester.
(S. 124 f)

© 2002, Kiepenheuer & Witsch, Köln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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