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Leseprobe: Wetti Himmlisch - "Leben, Meinungen und Wirken der Witwe Wetti Himmlisch."

Ich habe mich hineingelebt in den Beruf, habe die interessantesten Beobachtungen gemacht - eine Personenkenntnis ohnegleichen mir erworben, und die Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit hier gemacht, sind so merkwürdig und direct an der Quelle des modernen Lebens geschöpft, dass sie manchen verblüffen werden, der von so was auch nicht den blassen Dunst hat. Denn gerade hier, bei Unsereinem, tun die Menschen sich nicht den geringsten Zwang an. Selbst die ärgsten Heuchler und Leisetreter lassen hier alles gehen und fahren, was sie nirgends draussen in der Welt sich trauen würden - hier, in der Verschwiegenheit der heiligen Hallen kennt man keine Verstellung nicht - es nützt auch kein Komödiespielen - hier gilt nur die Wahrheit und die unverfälschte Natur - entweder man kann oder man kann nicht - ein drittes wüsste ich nicht zu nennen. (S. 9)

"Sehr einfach," sagt er. "Einfach und zeitgemäß. Sie schreiben Ihre Memoiren. Das gehört zum Zug der Zeit." "Plauschens net," stutze ich ihn zurecht. "So was!" "Aber nein - wenn ich es Ihnen sage!" nimmt er aufs neue das Wort. Das ist ein großer Gedanke - Ihre Physiognomie fehlt unter den Silhouetten, die sich mit Recht oder Unrecht an die Oberfläche der Epoche gedrängt haben. Eine wahrhaftige danse macabre - aber Sie - meine gute Frau Wetti, Sie sind capo. Sie sind die Krönung des Gebäudes - sind das Tüpfelchen auf dem großen "I" ...
"J ... a -, "sag ich grob ... "Sie haben verrückte Schwamerln gessen. Gengans lieber noch einmal auf No. 3 ..."
"Niemals in meinem Leben ist mir wohler zumute gewesen", versichert er in solch glaubwürdigem Ton, dass mir ganz kurios dabei wird. "Sehen Sie - das ist ein soziologisch tiefgründiges Bestreben, das für den Zeitabschnitt, den wir durchleben bezeichnend sein wird. Wir wollen klar sehen - wollen über uns selber uns Aufklärung verschaffen. Mit Zola und Ibsen hat es angefangen. - Das ist kein blinder Zufall, dass gerade jetzt die Röntgenstrahlen entdeckt werden mussten. Das ist symbolisch - einer der feinsten Witze des Weltverhängnisses. Die Darbietungen der Dichter genügen unserm Wissenstrieb nicht mehr, wir wollen das verwirrte moderne Dasein durchleuchtet sehen - wollen an erster Quelle schöpfen, wollen bis zum Urkeim vordringen. - Keinen Abklatsch mehr, sondern die Urschrift - die unverfälschte Natur das ist's, wonach wir unbegrenztes Verlangen tragen ..."
Mir wird ganz duselig bei seinen Worten. Ist der Kerl plötzlich verrückt worden oder hat ihn die Tarantel gestochen?
"Ja, ja -," sag ich. "Das ist alles schön und gut. Das alles kann schon sein - aber ich - ich bin doch der Niemand."
"Versündigen Sie sich nicht. Sie repräsentieren eine Welt für sich - eine Unterwelt, deren kolossale Wichtigkeit die Eingeweihten kennen, die aber bisher noch nicht röntgenisiert worden ist. Ohne diese Kehrseite des Lebens wäre die Gegenseite in keiner Weise denkbar - könnte gar nicht existieren. Bisher hat man sich darin gefallen, diese Welt offiziell zu verleugnen, mindestens sie zu übersehen - es war Stil und Sitte, in der Welt der sogenannten höhern Gesittung sie totzuschweigen ..." (S. 18f.)

© 2001, Löcker Verlag, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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