WIE ICH MEINE RÖMISCHE GELIEBTE AN DEN
STELLVERTRETENDEN HANDELSATTACHÉ
IN ISTANBUL VERLOR
Daß ich meine römische Geliebte an den stellvertretenden Handelsattaché in Istanbul verlor, kam so - nein, kam gar nicht so, kam nicht etwa so, daß ich die Geliebte dem Handelsattaché leichtfertig angeboten oder mit ihm auf dem Schachbrett, beim Watten oder am Tischtennistisch um die Frau gespielt hätte, das nicht, nein, auch nicht so, daß meine römische Geliebte in den stellvertretenden Handelsattaché sich plötzlich und unabdingbar verliebt hätte - das schon gar nicht -, und noch weniger so, daß er sie mir geraubt und nach Istanbul verschleppt hätte; kurzum, nicht einmal ich weiß Bescheid über die Umstände, daß es kam, wie es kam. Vielleicht hätte ich mich doch nicht vom damals noch zukünftigen stellvertretenden Handelsattaché zum Abendessen in einem allerersten Restaurant einladen lassen sollen, noch weniger ihn auffordern, mich einzuladen, und nicht nur mich, sondern auch meine römische Geliebte. So etwas Blödes, sagte ich mir, nicht ohne Belustigung, nicht ohne Verzweiflung, das ist doch zu blöd, aber jetzt habe ich tatsächlich meine römische Geliebte an den stellvertretenden Handelsattaché in Istanbul verloren! - Irgendwann später, an einem Spätsommernachmittag, dachte ich an sie und stellte mir vor: Jetzt sitzt sie am Fenster und macht sich die Fingernägel; zwischendurch blickt sie hinab auf das Meer. Am Abend werden Gäste kommen. (S. 154)
(c) 1998, Deuticke, Wien, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.