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Wir warteten vor der Tür, bis der Oberarzt, in Begleitung anderer Ärzte, das Krankenzimmer verließ. Lockige Haare, rahmenlose Brille, der Händedruck trocken und fest. Neues hatte Dr. Thomas Kessler nicht zu berichten. Der Zustand von Frau Steinart sei unverändert. Es könne Tage oder auch Wochen dauern, bis eine Besserung eintrete.
Und wenn etwas dazwischenkommt?, fragte ich.
- Es kann natürlich immer etwas passieren, Ihre Großmutter ist in einem Alter - fleckenlose, regelmäßige Zähne zeigten sich -, aber wir hoffen, dass alles gut geht und sie bald auf die Behandlung reagiert.
Er musterte mich. Dann schüttelte er uns wieder die Hand, wünschte uns Frohe Weihnachten und steuerte das nächste Zimmer an. Ich unterdrückte den Wunsch, ihm nachzulaufen, um mehr über den Tod zu erfahren. Um ihn zu fragen, ob man seiner Erfahrung nach mit alten Menschen über das Ende reden konnte.
Meine Mutter und ich betraten das Zimmer. Wir grüßten, niemand grüßte zurück, meine Großmutter lag im Bett am Fenster und schlief. Um dem Flüstern meiner Mutter zuvorzukommen, fragte ich schnell, ob wir sie nicht aufwecken sollten, sie schlafe doch sicher den ganzen Tag, so viel Schlaf könne nicht gesund sein. Sie müsse schlafen, sie brauche Kraft, sagte meine Mutter. Sie verschläft die letzten Minuten ihres Lebens, dachte ich. Wir gingen Kaffee trinken.
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