Valentin schwenkt nach rechts auf das Gelände der Tankstelle, bei der er auf dem Weg in die Hinterbrühl oft tankt. Heute stellt sich niemand an, dabei hat er heute keine Eile. Katharina wird schon eingecheckt haben. Er durfte sie nur zum Flughafenzug bringen. »Damit bin ich in sechzehn Minuten draußen, das schaffst du nie.« Kaum aus dem Auto, hatte sie das Handy am Ohr. Probenbeginn ist erst morgen, soviel weiß er, aber er ist wieder nicht dazugekommen, den Bühnentext zu lesen, der auf seinem Nachttisch liegt. Den Namen des jungen Autors in Zürich hat er vergessen. Er kann sich arabische Namen nicht merken. Bald werden seine Sätze in der Wohnung auftauchen, verschlüsselte Mitteilungen. Läse er den Text, würde er sie verstehen. Am Anfang drehte sie ihm sein Juristendeutsch im Mund um, verschloss seine Lippen mit einem Kuss. Sie küsste seine Spielereien mit.
Merkwürdige Ruhe, niemand stört ihn bei seinen Gedanken. Die Zapfsäulen, das bemerkt er jetzt, sind nicht mehr in Betrieb. Keine Person in der Glashütte, deren Wände von vielen Regengüssen gestreift sind. Jemand hat die Fußmatte gegen die Tür gelehnt. Die ausgebleichte Fahne der Mineralölfirma flattert weiter an ihrer Stange im Wind. Am Rand des Geländes liegen Autoreifen übereinander gestapelt, mannshoch. Plastikplanen darüber, mit ein paar Reifen bedeckt, damit sie nicht wegfliegen. In ihren Senken steht altes Wasser. Auf dem Boden plattgefahrene Coladosen, da toben sich Kids mit ihren Mofas aus.
Ein gelber Volvo aus den Siebzigerjahren biegt ein, das Gelb wie heller Honig. Ein Mann steigt aus, öffnet den Tank und hängt einen der Schläuche ein. Mit holzsteifen Armen in den Jackentaschen geht er auf und ab, wartet, dass sich der Tank fülle. Ein Geist, der an einer Geistertankstelle tankt. Endlich schaut er auf die Anzeige der Zapfsäule, schaut zu seinem Wagen, hin und her, stapft zu der Glashütte und schirmt die Augen mit den Händen seitlich ab, um hineinzublicken.
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©2011 Zsolnay Verlag, Wien.