SPINNENNETZ
Abends, beim Schließen der Fensterflügel, muß ich ein Spinnennetz zerstören, dessen exquisite Linienführung mich in ihren Bann zieht, als wollte sie mich einfangen.
Ich bin nicht imstande, ein entsprechendes Wort-Netz zu knüpfen, das die Erinnerung an ein zerstörtes Spinnennetz bewahren könnte. Am wenigsten nützt es, sich selbst der Untat des Zerreißens zu bezichtigen, da wäre es besser, das Netz gedankenlos wegzufegen!
Chinesische Schriftzeichen könnte man vielleicht so verknüpfen, daß die Erinnerung erhalten bliebe. (S. 58)
DAS VERKEHRSPARADOX
Seit Jahrzehnten sehe ich im Winter, durch kahle Zweige hinabblickend, die Fahrzeuge, die im Lauf der Zeit einen kontinuierlichen Strom gebildet haben, dessen Lärm, wie Einstein bewiesen hat, nichts anderes bedeutet als das Sägen am eigenen Ast.
Schrödinger hat das Verkehrsparadox aufgestellt: *M=0, oder, in Worten: Die Summe aller Transportbewegungen ist gleich Null. Hat man zum Beispiel eine Straße mit Gegenverkehr, so heben die durchschnittlichen Verschiebungen, die einen positiv, die gegenläufigen negativ gerechnet, einander auf.
Nils Bohr hat gezeigt, daß zwar die Beschleunigungen zunehmen und die Entfernungen abnehmen - was sich in einer durchschnittlichen Steigerung der Antriebsenergie ausdrückt -, daß aber dadurch einzig und allein der Einsteinsche Lärm jährlich um 10 Dezibel zunimmt, während die Summe der Transporte invariant bleibt, nämlich Null.
Die Zunahme des Einsteinschen Lärms, den ich seit Jahrzehnten von meiner Mansarde aus messe, bedeutet eine Abnahme unserer Arbeitszeit am eigenen Ast. (S. 79)
© 1999, Bibliothek der Provinz, Weitra.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.