Dritter Teil
Sonntag
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Die Ziffern auf dem Display des Weckers werden betrachtet. Die Zeit wird abgelesen. Tag für Tag wird um dieselbe Zeit aufgewacht. Am Samstag ist das Aufstehen eine Qual. Aber am Sonntag ist das Aufstehen unmöglich. In vierzehn Stunden wird wieder zu Bett gegangen werden können. Noch einmal schlafen und es wird Montag werden. Er wird gerettet sein. Für Donnerstag wurde ein Treffen mit Eva vereinbart. Vielleicht wird dieses Treffen stattfinden. Vielleicht wird Eva in letzter Minute absagen. Er wünscht sich, dass es schnell Montag wird.
Er wird sich freuen, Montagmorgen wieder ins Büro gehen zu dürfen. Er wird sich freuen, das Callcenter zu betreten, das Zeiterfassungssystem zu bedienen, sein Telefon zu entsperren, sich an der Workstation anzumelden, seine E-Mails zu lesen, erste Anweisungen an sein Team zu geben. Es wird wieder geatmet werden können. Es wird wieder gearbeitet werden können. Er wird in Sicherheit sein. Auf dem Display des Weckers wird statt SO bald MO stehen. Zuvor muss noch der Sonntag durchlebt werden.
Allerdings bringt dieses Warten auf den Beginn der Arbeitswoche auch eine Sorge mit sich: wie, wenn ihm einmal der Freitag so verhasst sein wird wie der Samstag oder Sonntag? Damit gäbe es dann drei verhasste Wochentage. Und wie erst, wenn der Donnerstag dazukäme und der Mittwoch? Wenn nach und nach alle Tage vom Wochenendgefühl verseucht würden? Dem muss gegengesteuert werden. Ab kommender Woche wird auch am Samstagvormittag ins Büro gefahren werden. Es werden sich schon Aufgaben finden lassen, die das Arbeiten am Samstag rechtfertigen.
(S. 109f)
© 2011, Klever Verlag, Wien.