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Sonja Harter: einstichspuren, himmel.

gedichte.
Vorw.: Friederike Mayröcker.
Graz: Leykam, 2008.
104 S.; brosch.; Euro 14,90.
ISBN 978-3-7011-7617-5.

Link zur Leseprobe

Ein symbolstarkes Dutzend Gedichtzyklen, ganz im Sinne magischer Vollkommenheit, umfasst Sonja Harters jüngster Gedichtband "einstichspuren, himmel".
Die junge Grazer Lyrikerin, die im Jahr 2005 mit ihren Gedichten "barfuß richtung festland" als so genannter "Lyrik-Shooting-Star" gefeiert wurde, legt nun einen Band vor, in dem sie sich bewusst an Friederike Mayröckers ästhetischen Verfahrensweisen orientiert. Mayröcker hat auch eigens das Vorwort zu dem Band verfasst, in dem sie Sonja Harter treffend als "elegische Träumerin" schildert.
In ihrem neuen Gedichtband widmet Harter Friederike Mayröcker nicht nur den Zyklus "Während ich, taumelnd," sondern auch "Das Lesen abgetragener Jahrzehnte" gilt der verehrten Dichterin.

die endlosen herbstausfahrten ins blaue, sagst du / hinter dem nächsten hügel nach dem licht tauchen, bis / das grüne auf den feldern graue schatten bekommt und / das radio an den verstorbenen dichter erinnert

Der Tod von Ernst Jandl, Mayröckers Lebensmenschen, ist "der rote Tag im kalender, wo die erde nicht feucht genug sein kann".

Harter deklariert in ihren Gedichten auch ihre Bezugnahme auf den amerikanischen Maler Edward Hopper, in ihrer Sprache legt sie atmosphärisch ein adäquates Pendant zu seinen Bildern vor, die etwa zwischen dem Nichtvergehen der Zeit eines stillen Herbsttages und tiefer Einsamkeit oszillieren.
herbst. Die tage nach dem tod abzählen und aufwachen / unter demselben weiß gestrichenen plafond / der einst: ja, damals, als wir noch abschied genommen / haben, tag für tag aufs neue, zwischen hellblauen bett / laken und infusionen, einstichspuren, himmel war.

Die Gedichte verbreiten eine Atmosphäre der Stille, ja bisweilen auch des Stillstandes, schnelle Bewegung wechselt mit abrupter Pause, paradoxe Metaphern stellen die Welt auf den Kopf:

gar nicht anfangen / jung zu sein, die welt umarmen / und mit dem motorrad durch die wand. / ganz hinten anstellen und: kotzen, / was das zeug hält.

Die Gedankenströme fließen und umkreisen dabei eingefrorene, unbewegte Szenen und Stimmungen, die sich auf Krankheit, Einsamkeit und Verlust literarisch einlassen. Romantische Bilder konterkariert die Autorin mit banalen Alltagsequenzen, Traum und Phantasie orientieren sich an einer – durchaus brutalen – Realität, der Akt des Romantisierens wird stets gebrochen.

In "Postwendend gen Westen" arbeitet Harter mit dem Romeo und Julia-Stoff, der "kopf der nachtigall" ist "zerbeult", "die lerche" rast mit ihrem "kopf gegen die brüstung" und am Ende fallen "die toten aus dem schnürboden". – Ganz wie in Sebastian Hartmanns archaischer "Romeo und Julia"-Inszenierung, in der er im Herbst 2007 massenhaft Leichenteile vom Schnürboden des Burgtheaters stürzen ließ. Die Vorstellung von der romantischen Liebe wird bei Sonja Harter stets nur aufgebaut, um sogleich wieder entlarvt zu werden und an äußeren Realitäten zu (zer)brechen. Etwa in "Punktgenau am Scheitelpunkt":

und auf dass / wir einmal so richtig / liebe machen mit spiegeln / an der decke, oliven zwischen / den fingerkuppen, um die / handgelenke das unvermeidliche / und einmal in den ersten stock / und zurück: / aber die abgesplitterten / mittelfußknochen und / der lange weg zurück / in die stadt.

In Sonja Harters Lyrik springen die Zeilen an ungewöhnlichen Stellen, die Sätze brechen einfach ab und werden in der folgenden Zeile weitergeführt, so dass sich nicht nur inhaltlich neue Bedeutungszusammenhänge ergeben und eine konventionelle Lektüre unmöglich wird, auch der graphisch-optische Aspekt tritt stark in den Vordergrund. Mayröcker benennt dies in ihrem Vorwort mit folgenden Worten: "diese Gedichte schallen zurück, sie tummeln sich in des Lesers Ganglien usw., sie drängen ins Auge, ins Ohr, [...] sie verwandeln sich in Musik, in Malerei." Einen Zyklus betitelt Harter entsprechend: "Achthundertsiebenundvierzig Tage Sehstörungen." (siehe Leseprobe)

Harters neuester Gedichtband lässt sich nicht auf einmal lesen und auch nicht nur einmal. Die verschiedenen spröden, melancholischen Töne erschließen sich erst bei der mehrfachen Lektüre dieser traumverlorenen Texte.

 

Julia Danielczyk
9. September 2008

Originalbeitrag

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