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Angelika Reitzer: unter uns

Roman.
St. Pölten, Salzburg: Residenz, 2010.
288 S.; Hardcover; Euro 21,90.-.
ISBN 978-3-7017-1549-7.

Link zur Leseprobe

Willkommen im Lebens-Prekariat.
Angelika Reitzer legt mit
unter unsden Finger auf die Wunde.

Es ist Zeit für Skurrilitäten, besonders in der Literatur. Da ist es nicht nur originell sondern auch sinnig, wenn ein „Familienroman ohne Familie“, wie der Verlag meint, mit einem Familienfest der anderen Art anfängt. Die Eltern der eigentlichen Hauptfigur von Angelika Reitzers neuem Roman, Clarissa, verabschieden sich nicht nur in den Ruhestand (das Gasthaus ist verpachtet, die Felder also bestellt), sondern auch von ihrer Familie. Ein Fest, zum letzten Mal, dann wollen sie nur noch für sich selbst da sein, am liebsten ohne Kontakt zur restlichen Verwandtschaft. Eine skurrile Bitte, sicher, aber der Drang zur Selbstverwirklichung des modernen Menschen macht auch vor älteren Semestern nicht halt. Dass der Vater drei Monate später stirbt, passt da zwar nicht ins Bild, weist aber bereits auf die prekären Lebensverhältnisse hin, die Angelika Reitzer ihrer Clarissa, vor allem aber den zahlreichen Bekannten in ihrem „Netzwerk“ in der Folge auf den Leib schreibt. Der Lebensabend als letzte Form des Prekariats quasi.

Reitzer beschreibt vielstimmig und aus wechselnden Perspektiven eine Vielzahl von Biografien, die alle mehr oder weniger lose zusammenhängen. Allen gemeinsam ist eine gewisse Entfremdung, als wären die verschiedenen Biografien sich selbst abhanden gekommen, als wären die Menschen selbst der Welt abhanden gekommen. Clarissa etwa entfremdet sich nach dem Tod des Vaters und Schwierigkeiten im Job am radikalsten, sie zieht bei Klara, Tobias und deren beiden Töchtern in Untermiete in den Keller und erinnert sich an Familienfeste von früher. Ein Leben in Untermiete in einem Kellerloch: das ist exemplarisch zu verstehen.

Auch die anderen Charaktere des Romans hadern mit ihrer Existenz, etwa das scheinbar idyllische Ehepaar Klara und Tobias, und noch eine ganze Reihe weiterer Personen in diesem „Netzwerk“ - Florian, Jörg, Marie, Kevin, Vera. Bisher galt als gesichert, dass die soziale Einbettung in die Säulen Familie, Freunde, Arbeit einen gewissen Halt bietet. Bei Angelika Reitzer reichen selbst diese Gewissheiten nicht mehr aus, nicht aus dem eigenen Leben zu kippen.

Reitzer, die für ihre Bücher vielfach ausgezeichnet wurde und deren Sprache wegen ihrer Vielschichtigkeit und Klarheit bereits in Taghelle Gegend und Frauen in Vasen beeindruckt hat, legt mit unter uns einen irritierenden Endzeitroman über das überkommene Modell von „Beziehungen“ vor, es reicht nicht mehr aus, wie bei Camus „fremd“ in der Welt zu sein, man ist vor allem allein. Das macht, wenn man so will, unter uns so modern.

Bernd Schuchter
21. Dezember 2010

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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