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Isabella Straub: Das Fest des Windrads.

Roman.
Berlin: Aufbau Verlag / Blumenbar, 2015.
352 Seiten; gebunden; Euro 19,-.
978-3-351-05017-7.

Autorin

Leseprobe

Eine junge Karrierefrau ist auf dem Weg nach San Marino zu einer Messe. Dort soll sie sich mit ihrem Chef treffen - alles deutet darauf hin, dass sie befördert werden soll. Sie sitzt im Zug und ärgert sich über ihre Sekretärin, die ihr nicht einen Flug, sondern eine mühsame Zugfahrt gebucht hat. Zwischendurch hofft sie auf eine SMS von ihrem Liebhaber. Greta ist eine unabhängige und ehrgeizige Frau, die keine Zeit für eine feste Beziehung und eine eigene Familie zu haben scheint. Zugegeben, geht man von der Handlung der ersten paar Seiten aus, könnte man meinen, dass es sich bei „Das Fest des Windrads“ um einen eher seichten Frauenroman handle. Allerdings bemerkt man als LeserIn schnell, dass mehr in diesem Buch steckt. Das beginnt schon damit, dass Greta für eine Firma arbeitet, die Endoskope herstellt, und damit nicht das Klischee der Chicklit-Protagonistin erfüllt, also keine PR-Assistentin, Journalistin für Frauenmagazine oder ähnliches ist.

Wenige Seiten weiter merkt man, dass die Autorin Isabella Straub mit diesem Roman mehr erreichen will. Das liegt nicht nur an der bildhaften, präzisen und feinfühligen Sprache, sondern auch daran, dass die Handlung einen satirischen Unterton hat, die den Leser schmunzeln lässt, aber zugleich auch nachdenklich stimmt.
Spätestens als der Zug eine Panne hat und in der Einöde, in einem Ort namens Oed landet, wird dem Leser klar, dass in diesem Buch auch eine gute Gesellschaftsanalyse steckt. (Auch wenn es sehr unterhaltsam geschrieben und durchaus leicht zu lesen ist!) Straub arbeitet vor allem mit dem Instrument der Gegenüberstellung. Da gibt es also die karrierebesessene Greta mit ihrem schicken Smartphone und ihrem Stress, endlich nach San Marino zu kommen, die unerwartet auf die Bewohner von Oed trifft. Zum Beispiel auf Jurek, den einzigen Taxifahrer im Ort. Streben nach beruflichem Vorankommen und aufwändige Messe-Präsentationen existieren in seiner Welt nicht. Stattdessen hat er mit seinem Schwiegersohn zu kämpfen, der plötzlich darauf besteht bei ihm einzuziehen und schwindlige Versicherungen verkaufen möchte. Jurek ist ein „Grantler“, der nur seine Ruhe haben will.
Manche Szenen sind bitterböse: Straub seziert die österreichische Gesellschaft, baut den schnöseligen, angeberischen, aber impotenten Arzt und die Wirtin aus der Dorfspelunke ein. Zusätzlich gibt es den Diabetiker Joe, der sich eine Thailänderin zur Ehefrau bestellt hat, und die träge Oberschwester in der Burnout-Klinik. Eine solch verlassene Landschaft eignet sich gut für Patienten, die entspannen müssen.

Für Greta wird die geplante Reise nach San Marino schnell zum Horrortrip. Sie ist gefangen am Land – einem ihr völlig unbekannten Terrain -, unter Menschen, die ihr so fremd sind, die sie für eintönig und einfältig hält. Straub baut in ihren gelungenen Text die vielen Vorurteile ein, die es zwischen Stadt- und Landmenschen gibt - freilich indem sie auch überzeichnet. Zwischen den Zeilen erkennt der Leser, dass die so unterschiedlichen Figuren doch ihre Gemeinsamkeiten haben: Alle haben sie „ihr Packerl zu tragen“. Sie haben Ängste, Sorgen, Sehnsüchte.
Unerwartet kommt für Greta, dass sie in dieser Umgebung ein vertrautes Gesicht findet: ihre Kollegin Diana ist in der Burnout-Klinik. Diese ist jedoch nicht, wie ursprünglich erwartet, hier, weil sie sich von der harten Arbeit in der Endoskopen-Firma erholen muss. Sie arbeitet als Marketingmanagerin. Gestrandet auf dem Land erfährt Greta ausgerechnet von Diana, dass ihre Träume platzen werden. Die Beförderung ist nur ein Wunschgedanke. Stattdessen fusioniert die Firma mit einer anderen, die Wiener Stellen sollen abgebaut werden. Die moderne Arbeitswelt war schon in Straubs Debüt „Südbalkon“ ein zentrales Thema.

Vor allem die Kapitel rund um die Burnout-Klinik sind gelungen und haben starke gesellschaftskritische Züge. Die Passage über die Schaffner in der Burnout-Klinik wird manch einen laut auflachen lassen. Zugleich aber hat sie einen traurigen Unterton und zeigt etwa, wie mentale Erkrankungen in der Gesellschaft noch immer nicht ernst genommen werden.
Eine durchaus empfehlenswerte Lektüre.

Emily Walton
21. Juli 2015

Originalbeitrag
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.


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