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Raoul Biltgen: Jahrhundertsommer

Leseprobe:

Und die Fahrt dauerte ewig, der Bus ruckelte mehr als erträglich, der Schweiß rann ihm über die Schläfen und die Stirn, sein T-Shirt war längst klatschnass und das Ticket in seinen feuchten Fingern aufgeweicht und nutzlos, die Stempeltinte auf seiner Haut statt auf dem Karton.
Auch zu Fuß fielen ihm immer mehr Möglichkeiten ein, aufzufallen. Ein Passant, der ihn anrempelt, ein Kinderwagen wird aus einem Hauseingang in seine Waden gefahren, ein Auto bremst zu spät, rutscht auf den Gehsteig und überrollt ihn, er wird überfallen, er muss zur Alkoholkontrolle, weil er so unsicher und vorsichtig einen Fuß nach dem anderen niedersetzt, damit all das nicht passiert. Erst zu Hause wird er sicher sein. Erst zu Hause wird er ausatmen können. Erst wenn er die Waffe weglegen kann, sie anschauen kann, ohne sie berühren zu müssen, sie aus seinem Kopf wegdenken kann, wenn er endlich aufs Klo kommt, denn seit er aus dem Bus gestiegen ist, muss er dringend kacken, erst dann wird er wieder vollkommen ruhig werden können. Und die Strecke war endlos zu Fuß.
Dabei war es nicht das erste Mal, dass er sie zu Fuß ging. Wenn er mal nachts, angetrunken oder nicht, kein Geld für ein Taxi hatte. Wenn er nach einem langen Winter die ersten Frühlingssonnenstrahlen genießen wollte. Wenn sie dabei war. Als sie dabei war.
Sie mochte nicht in einer Straßenbahn sitzen, sofern es nicht regnete, aber selbst dann nicht. Und Taxis hatte sie noch weniger gemocht.
Als er am Ring angekommen war und er das Gefühl hatte, so langsam könne die Sonne untergehen, setzte er sich doch noch in die Straßenbahn bis in sein Viertel. Und nachdem er endlich seine Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, schmiss er den Revolver auf das Sofa, erschrak über sich selbst, was wäre wenn …
Er war ja nicht geladen.
Und er ging aufs Klo.

(S. 36f)

© 2015 Verlag Wortreich, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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