Leseprobe:
Mara
Mein Blick bohrte sich in die glatt geschliffene, hölzerne Oberfläche. Gestern Abend waren meine Hände noch die Maserungen nachgefahren, hatten die Ecken umgriffen, den Deckel vorsichtig gestreichelt.
Ich wollte mich hineinlegen, aber es war kein Platz mehr für mich. Mein Vater nahm den Platz bereits für sich ein. Ich hasste ihn dafür.
Langsam wurde die Musik lauter, "Seven Steps to Heaven" trug den Sarg bis zum vorderen Teil der Kirche. War der Weg wirklich nur so kurz? Meine Augen brannten vor Trockenheit, es wollte keine Träne aus ihnen heraus. Er lag da drin und meine Mutter und ich saßen hier. Nur ein paar kleine Schritte von ihm entfernt.
Der Pfarrer erzählte. Seine Worte waren sonderbar anzusehen, sie erzählten von mir, meiner Mutter, meinem Vater. Unserem Leben. Seinem Leben. Innerhalb und außerhalb unserer Familie. Ich hörte zu, irgendwo in ihnen steckte ich. Sie drehten sich in der Luft, zogen vorbei. Zögernd griff ich nach einem schwächlichen Verb, es stand in der Vergangenheit da. Erzählte mir etwas. Flüsterte leise. Und zerfiel wieder in sich.
Meine Ohren hörten, wie sich meine Großmutter hinter mir schnäuzte. Laut und geräuschvoll. Das Geräusch setzte sich zwischen die Worte des Pfarrers, ich vergaß zuzuhören. Starrte weiter auf den Sarg. Auf seinen Sarg.
Er lag da drin. Da drin lag er.
(S 7, 8)
© 2015 Picus Verlag, Wien
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