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Daniela Chana: Neun seltsame Frauen

Leseprobe:

Carmen aß den Apfel auf dem Schulweg und warf das Kerngehäuse neben einen Baum, bevor sie um die Ecke bog. Jedes Mal hoffte Carmen, dass sie damit etwas Verbotenes tat und eines Tages ein Polizist sie erwischen und verhaften würde. Den Polizisten stellte sie sich immer groß und muskulös, in eng anliegender Uniform und mit langen Haaren vor. Das Klicken der Handschellen wäre warm wie das Knacken brennender Holzscheite. Bisher war das noch nie passiert, und auch heute kam sie als freier Mensch bei der Schule an. Das Gymnasium war ein quadratisches Gebäude zwischen Bäumen. Jedem Vorbeigehenden musste es besonders verdächtig erscheinen, weil man es bunt gestrichen hatte, damit es harmlos wirkte, so wie Krankenhäuser und Altersheime. Jonathan stand davor und wartete auf sie.
"Hey, Carmen! Holen wir heute am Nachmittag die Bandprobe von gestern nach?"
Er schaute sie hinter den Strähnen seiner Haare an, die bis zum Kinn reichten und sein halbes Gesicht verdeckten.
"Klar", sagte Carmen. Dann schaute sie an ihm vorbei und sah eine Schülerin aus der Parallelklasse neben dem Eingang stehen. Sie hatte lange blonde Haare und wirkte zerbrechlich wie ein Gespenst aus einem Traum. Meist sah es aus, als hätte sie die Augen geschlossen. Immer wenn Carmen das Mädchen sah, hatte sie plötzlich einen leisen, traurigen Ton im Ohr. Dann befiel sie der Verdacht, dass Traurigkeit ein wunderbares und reiches Gefühl sein konnte, ein Kitzeln aus der Tiefe von innen.
"Ich hab übrigens …" Jonathan zog mit zittrigen Fingern einen zusammengefalteten Zettel aus seiner Lederjacke.

(S. 148f.)

© 2021 Limbus Verlag, Innsbruck-Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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