Leseprobe:
… saß auf einer Bank im Volksgarten mit – ach ja: mit aufgestelltem Mantelkragen … Die Bäume kahl, die Rosenstöcke – was heißt das – verparkt? … Ach so: verpackt. Das heißt, bereits eingewintert.
Also: … saß auf einer Bank im Volksgarten mit aufgestelltem Mantelkragen. Die Bäume kahl, die Rosenstöcke verpackt. Saß und schaute … Ja klar: … und schaute aufs Burgtheater …
Also, das ist doch offensichtlich nicht Musil!
Nicht?
Nein, definitiv nicht, sagt Roch. Das ist nicht Musil, Lisa, das ist Thomas Bernhard! Thomas Bernhard, wie er zwei Stunden vor der Uraufführung seines Bühnenstücks Heldenplatz auf einer kalten Bank im Volksgarten sitzt und sich fragt, ob er Richtung Burgtheater weitergehen oder sich diese voraussichtlich schreckliche Uraufführung lieber ersparen soll. Zweifellos eine interessante Perspektive und sicherlich eine signifikante Passage – aber das werden Sie doch nicht für den Anfang des Romans gehalten haben!
Was soll sie darauf antworten? Dass sie sich über den Anfang eines unleserlichen Manuskripts natürlich nicht den Kopf zerbrochen hat? Wahrscheinlich wäre das sinnlos. Aber allmählich regt sich ein gewisser Widerstand in ihr.
(S. 79)
© 2021, Residenz Verlag