logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

traduki

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Mathias Müller: Birnengasse.

Leseprobe:

 

Wir hatten eine Straße überquert, wie aus Versehen, aber unwiderruflich.

 

Gerüste, Stahlskelette, Kräne, Betonbauten, ineinandergreifende Begriffe, geschaffen für Luftzirkulationen, die beinahe schon imstande waren, die Grammatik oder die Anagrammatik einer Stadt auszudrücken. Mauern, Passagen und Hindernisse.

 

Bewegung, ob von Wagen oder Passanten, passierte gegen oder in Fahrtrichtung und ging mitten durch uns durch. Wir mussten uns am Rand des Trottoirs oder an Hausnummern festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ein Tropfen fiel von einer Regenrinne und wir sahen, dass uns nicht nur der Sinn für Orientierung fehlte, sondern auch für Sichtbarkeit und für Distanzen.

 

Die sich ständig erneuernde Luft einer gewittrigen Atmosphäre. Das Licht, aber anders gebrochen, gegensätzliche Kräfte, aber nicht statisch, in einem Gleichgewicht verharrend, sondern instabil, ein sich verschiebender Mittelpunkt.

 

Treppenhäuser führten auf Straßen hinaus. Durch offene Türen waren Gassen zu sehen. Aus einem Fenster wuchs ein Baum. Aus einer Regenrinne ragten Äste. Unaufhörlich drang das Innere nach außen, um dort neue Oberflächen auszubilden.

 

Die Farbe und der Geschmack einer Heidelbeere können nur auf einer Kreuzung gleichzeitig erfahren werden. Ein Wort und ein anderes unterscheiden sich nur durch einen Buchstaben.
Ein Gegenstand folgte auf den anderen, aber noch wiederholten sie einander nicht. Vielleicht können wir erst beginnen, wenn wir zwischen verschiedenen Dingen eine Gemeinsamkeit entdeckt haben.

 

Gemeinsam gingen wir durch die Stadt und fanden die Straßen unwegsam. Zwar kannten wir die Dinge nicht, aber wir waren empfindsam für ihre Anordnung. Auf dem heißen Boden pickte das Huhn, einer Eingebung folgend, nach Samenkörnern. Ein kurzes Ereignis.

 

Es gab keine Brüche, nur Risse und farbliche Unterschiede.
Keine Sprünge im Asphalt, nur die Spur von Vogelfüßen. Wir waren ungewohnten Widerständen ausgesetzt.

 

Wo ein Gegensatz kommen sollte, kam keiner.
Wo der Boden unter unseren Füßen nachgeben konnte, hielt er stand.

 

(S. 97-105)

 

© 2021, Sonderzahl Verlag, Wien

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
edition exil entdeckt – Zarah Weiss blasse tage (edition exil, 2022) Ganna Gnedkova & Ana Drezga

Fr, 04.11.2022, 19.00 Uhr Neuerscheinungen Herbst 2022 mit Buchpremiere | unveröffentlichte Texte...

"Im Westen viel Neues" mit Kadisha Belfiore | Nadine Kegele | Tobias March | Amos Postner | Maya Rinderer

Mo, 07.11.2022, 19.00 Uhr Lesungen, Film & Musik Die Reihe "Im Westen viel Neues" stellt...

Ausstellung
"Ah! THOMAS BERNHARD. Den kenn ich. – Schreibt der jetzt für Sie?"
Nicolas Mahler zeichnet Artmann, Bernhard, Jelinek, Musil & Joyce

17.09. bis 14.12.2022 Er ist der erste, der im renommierten deutschen Literaturverlag Suhrkamp...

Tipp
OUT NOW : flugschrift Nr. 40 - Valerie Fritsch

gebt mir ein meer ohne ufer Nr. 40 der Reihe flugschrift - Literatur als Kunstform und Theorie...

INCENTIVES - AUSTRIAN LITERATURE IN TRANSLATION

Buchtipps zu Kaska Bryla, Doron Rabinovici und Sabine Scholl auf Deutsch, Englisch, Französisch,...