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Bastian Kresser: Klopfzeichen.


Leseprobe:

Die Tournee begann und dieses Mal kamen die inzwischen berühmten Fox-Schwestern über die Staatsgrenze New Yorks hinaus und reisten sogar durch verschiedenste Orte Neuenglands. Überall wo sie ankamen, wurden sie von den Bürgermeistern oder deren Ehefrauen empfangen. Feindlichen Gesichtern begegneten sie nur selten. Sie füllten ganze Säle, wurden von der geistigen Elite zu privaten Vorführungen eingeladen, bekamen Kost und Logis von Unterstützern gestellt und wurden für jede einzelne Séance angemessen bezahlt.
Und es schien wie ein Zeichen, dass eine der letzten Stationen der Tournee erneut – wie damals in Seneca Falls – eine Tagung zum Thema Frauenrecht, nämlich die erste Nationale Zusammenkunft zu Frauenrechten in Worcester, Massachusetts, beinhaltete. Leah war begeistert, als sie die Massen an Menschen und das Interesse an dieser Veranstaltung sah. Am Nachmittag des ersten Tages nahmen laut Zeitungsberichten über Tausend Personen an dieser Zusammenkunft teil und viele mussten aufgrund des zu großen Andrangs wieder fortgeschickt werden. Es kamen Delegierte aus elf verschiedenen Bundesstaaten, unter anderem sogar aus Kalifornien – ein Staat, der gerade erst wenige Wochen alt war.
Es traten verschiedenste Gastredner auf, darunter auch Frederick Douglass, der die Schwestern seit ihrem ersten Treffen in Seneca Falls öfter in Rochester besucht hatte und der, wie Maggie eines Abends Leah verriet, regelmäßigen Briefkontakt mit ihr pflegte. Leah wusste nicht, was sie davon halten sollte, war Frederick Douglass doch ein verheirateter Mann und Maggie gerade einmal eine siebzehnjährige Frau. Hinzu kam, dass sie sich eingestehen musste, dass sie eine Spur von Eifersucht in sich verspürte. Leah hatte das Gefühl, dass sie und Frederick Douglass weit mehr Gemeinsamkeiten und Interessen teilten als ihre Schwester. Sie war sich jedoch sicher, dass Maggies Schwärmerei für einen älteren Mann bestimmt bald abklingen sollte und hoffte, dass sie ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren würde.
Anders als damals in Seneca Falls waren die Schwestern bei der Nationalen Zusammenkunft zu Frauenrechten nicht bloße Zuhörerinnen, sondern wurden herzlichst empfangen, von Journalisten interviewt und über ihre Ansichten bezüglich des Frauenwahlrechts, dem Thema der Sklavenhaltung und Sklavenabschaffung sowie über die Möglichkeiten der Frauen in der heutigen Zeit befragt. Leah, die bisher meist im Abseits gestanden und immer Maggie und Kate ins Zentrum gestellt hatte, hielt sich dieses Mal nicht zurück. Sie nahm all ihren Mut zusammen und begann über die enorme Wichtigkeit dieses Themas zu sprechen, darüber dass die Frauen es satt hatten, als Menschen zweiter Klasse ihr Leben zu fristen, dass es an der Zeit war, dass sich die Frauen ihre Rechte, wenn es denn sein musste, erkämpften und dass der Gedanke, dass so oft auf dem Grabstein einer Frau geschrieben stand, sie sei das "Relikt" ihres Ehemannes gewesen – eine Formulierung, die am Tag darauf von der Initiatorin dieser Versammlung, Lucy Stone, eins zu eins übernommen wurde – sie schier zur Weißglut trieb.
Ja, natürlich war sie dafür, dass Frauen wählen und arbeiten sollten, genau dieser Gedanke war ja bereits in der Unabhängigkeitserklärung definiert. Ohne auch nur einen Moment nachdenken zu müssen, zitierte sie den ersten Satz davon: Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. "Alle Menschen wurden gleich erschaffen!", wiederholte Leah ein weiteres Mal laut und fügte hinzu, dass diese Formulierung es auf den Punkt brachte und die Frage bezüglich der Sklaverei, die letztendlich ja gar keine Frage sei, unmissverständlich beantwortete. Natürlich dürfe kein Mensch über einen anderen herrschen, das wisse jeder Mann und jede Frau, wenn man nur für einen Moment ehrlich mit sich sei, und genau dieses Eingeständnis machte das Prinzip der Sklavenhaltung zweifellos zu etwas höchst Verwerflichem und Unmoralischem.

(S. 193 – 195)

© 2021, Braumüller Verlag, Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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