Leseprobe:
Unerwartet früh zogen die automatischen Jalousien vor der Fensterwand runter, sodass ausschließlich das Beamerlicht den Raum erhellte. Ich konnte die Gesichter und ihre Mimik am anderen Ende des Raums kaum erkennen, was mir aber auffiel: Aline war die einzige Frau im Raum und ich, wie vermutet, neben Tom und ihr der Jüngste.
Das Pochen an meinen Schläfen wurde heftiger. Es fühlte sich an, als würde sich ein glühender Draht von innen durch die Schädeldecke bohren. In meinem linken Ohr setzte ein Pfeifen ein, und ich musste fürchterlich husten. Tom und Aline sahen zu mir hinüber. Ich schämte mich. In der Verfassung konnte ich unmöglich präsentieren. Da mir nichts Besseres einfiel, entschuldigte ich mich bei den Anwesenden, brachte mit schiefer Stimme hervor, dass ich gleich wieder da sei, stand auf und schlüpfte zur Tür hinaus.
Wohin, wusste ich nicht, aber egal, beruhig dich erst mal, sagte ich mir, vier Sekunden durch die Nase einatmen, Luft anhalten, bis sieben zählen, acht Sekunden durch den Mund ausatmen, wiederholen und noch mal, ganz richtig, ja, besser – der Husten ließ nach. Ich entschied mich kurz frisch zu machen und sah mich nach einem WC um, doch da war keines, nur Bürotüren, eine nach der anderen, mit glänzenden Messingschildern und eingravierten Namen. Bis ich wieder vor der Fahrstuhltür stand.
(S. 56f)
© 2021 Karl Rauch Verlag