logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

traduki

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Elke Steiner: Die Frau im Atelier.


Leseprobe:

Zermahlene Hasenknochen sind es angeblich, Häute und Knorpel von Kleintieren. Vielleicht haben sie auch Katzen genommen, wer weiß das schon. Oder Hunde. Marius steht vor der Leinwand und schüttelt das Glas mit dem Granulat. Er hat Angst, wie er immer Angst hat vor der leeren Leinwand, vor ihren Linien und tausenden Fäden, in die wieder alles hineinfließen wird, die alles aufsaugen und anders herauswachsen lassen wird, als er es gewollt hatte. Er hat Angst vor den ersten Strichen, vor der Farbe, den Proportionen. Er hat Angst, dass sie ihr Gesicht zeigen könnte, und deshalb wird er sie nur von hinten malen, von der Seite vielleicht, aus allen möglichen Perspektiven. Nur nicht von vorne. Nur nicht so, wie er sie zuletzt gesehen hat.
Seit den Morgenstunden steht er hier, geht auf und ab, geht zum Fenster, wieder zurück, nimmt die Mütze ab, streicht die Haare nach vorne, und setzt sie wieder auf. Es ist immer das Gleiche, er findet keinen Anfang. Er braucht einen Espresso. Die verkrustete italienische Kanne hält ihn einige Minuten lang beschäftigt, bis es gluckert und zischt, das aufsteigende Kaffeearoma öffnet ihm die Nasenschleimhäute. Er atmet durch und stellt sich mit der Tasse in der Hand wieder vor die Leinwand. Dieser elende Anfang, das alles hier, es ist wie eine kranke Liebesbeziehung. Ein On-Off-Debakel. Kaum hat er den Anfang gefunden, kommen auch schon die Schmerzen. Es geht dann alles gleichzeitig, so ist es immer. Das Dunkelgold wird ihm unter die Schädeldecke kriechen, bis er sich winden wird und hoffen, dass noch Migränetabletten in der Lade zu finden sind. Aber irgendwann wird sich etwas verändern. Das weiß er. Das hofft er. Dann werden die anderen Erinnerungen hervorkommen, dann kann er Adele so malen, wie er sie gesehen hat, als sie noch Leben in sich hatte. Als ihre Haut noch den Duft von Biskuit hatte und er sich in ihrem Dunkelgold vergraben konnte. Als sie Hand in Hand über Gehsteige gingen und Wiesen, und als er noch geglaubt hatte, das Leben wäre ein einziger Spaziergang an ihrer Hand.

(S. 5f)

© 2021, Edition Keiper, Graz.

 

 

 

 

 

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
edition exil entdeckt – Zarah Weiss blasse tage (edition exil, 2022) Ganna Gnedkova & Ana Drezga

Fr, 04.11.2022, 19.00 Uhr Neuerscheinungen Herbst 2022 mit Buchpremiere | unveröffentlichte Texte...

"Im Westen viel Neues" mit Kadisha Belfiore | Nadine Kegele | Tobias March | Amos Postner | Maya Rinderer

Mo, 07.11.2022, 19.00 Uhr Lesungen, Film & Musik Die Reihe "Im Westen viel Neues" stellt...

Ausstellung
"Ah! THOMAS BERNHARD. Den kenn ich. – Schreibt der jetzt für Sie?"
Nicolas Mahler zeichnet Artmann, Bernhard, Jelinek, Musil & Joyce

17.09. bis 14.12.2022 Er ist der erste, der im renommierten deutschen Literaturverlag Suhrkamp...

Tipp
OUT NOW : flugschrift Nr. 40 - Valerie Fritsch

gebt mir ein meer ohne ufer Nr. 40 der Reihe flugschrift - Literatur als Kunstform und Theorie...

INCENTIVES - AUSTRIAN LITERATURE IN TRANSLATION

Buchtipps zu Kaska Bryla, Doron Rabinovici und Sabine Scholl auf Deutsch, Englisch, Französisch,...