logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

traduki

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Wolfgang Millendorfer: Kopf über Wasser.

Textprobe:

Auch Herbert Peters halbherzige Rundgänge kennt Werner, selbst einen seiner Spezialrundgänge musste er einmal über die Bildschirme mitansehen, weil er einfach nicht wegsehen konnte. Denn noch seltener, aber doch, muss er sich und Marina mitunter auch die Schmach einer Nacht ersparen, in der ein jeder von ihnen nach einem Streit im Bett rotiert und sie einander ins Gesicht schnaufen. In einem solchen Fall steigt Werner noch vor Mitternacht in seinen alten Wagen oder auf sein altes Rad und fährt die zehn, elf Kilometer ins Hallenbad, verschwindet im Büro und schläft auch dort, meistens schläft er aber kaum, wenn er die Nacht im Hallenbad verbringt.

Er steigt aus den Hausschuhen und rollt im Drehsessel zum Schnapsschrank hinüber und trinkt sauteuren Whisky, und weil er dabei die Bildschirme beobachtet, kann er gar nicht übersehen, wie Herbert Peter so versucht, die Nacht herumzubringen. Das kann Herbert Peter nicht wissen, womöglich würde es ihn im Nachhinein sogar beruhigen, da ihn das Gefühl, beobachtet zu werden, nicht getäuscht hat. Aber Werner hat es ihm bis jetzt noch nicht verraten und wird auch nie ein Wort über den Spezialrundgang verlieren. Und er wird kein Wort über das verlieren, was er in der vergangenen Nacht auf einem seiner Bildschrime gesehen hat, allein schon, weil er nicht wüßte, wie er es sagen soll.

Er hat in den fünfzehn Jahren im Hallenbad manches zu sehen geglaubt, von alten Geschichten gehört und einiges mit eigenen Augen gesehen. Vergangene Nacht hat er auf seinem Bildschirm Herbert Peter gesehen, wie der auf dem Gang stand und sich nicht bewegte, so als würde er nicht mehr richtig funktionieren. Dass hinter ihm eine Frau stand, hat Herbert Peter nicht gesehen, Werner aber schon. Eine alte Frau im Badenzug, auf dem Kopf eine Badehaube, die unförmig wegstand, vielleicht war da auch Blut, das auf dem schwarzweißen Bildschirm schwarz unter der Badehaube hervorkam, vielleicht auch nicht. Werner ging mit dem Gesicht ganz nah ran, bis das Bild unscharf wurde. Sie schien Herbert Peter von hinten anzubrüllen, der bewegte sich aber immer noch nicht. Werner klopfte mit dem Fingernagel gegen den Bildschirm. Die Frau hob den Kopf und sah ihm genau in die Augen.

(S. 46-47)

© 2021 Milena Verlag, Wien

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
edition exil entdeckt – Zarah Weiss blasse tage (edition exil, 2022) Ganna Gnedkova & Ana Drezga

Fr, 04.11.2022, 19.00 Uhr Neuerscheinungen Herbst 2022 mit Buchpremiere | unveröffentlichte Texte...

"Im Westen viel Neues" mit Kadisha Belfiore | Nadine Kegele | Tobias March | Amos Postner | Maya Rinderer

Mo, 07.11.2022, 19.00 Uhr Lesungen, Film & Musik Die Reihe "Im Westen viel Neues" stellt...

Ausstellung
"Ah! THOMAS BERNHARD. Den kenn ich. – Schreibt der jetzt für Sie?"
Nicolas Mahler zeichnet Artmann, Bernhard, Jelinek, Musil & Joyce

17.09. bis 14.12.2022 Er ist der erste, der im renommierten deutschen Literaturverlag Suhrkamp...

Tipp
OUT NOW : flugschrift Nr. 40 - Valerie Fritsch

gebt mir ein meer ohne ufer Nr. 40 der Reihe flugschrift - Literatur als Kunstform und Theorie...

INCENTIVES - AUSTRIAN LITERATURE IN TRANSLATION

Buchtipps zu Kaska Bryla, Doron Rabinovici und Sabine Scholl auf Deutsch, Englisch, Französisch,...