Nach Abschluss seiner Bürokaufmannslehre wurde Magnus Amen zum Großchef in den vierten Stock befohlen. Amen hatte Lebenspläne, Lebenssinn und Ziele. Erstens wollte er täglich drei Stunden am Klo schreiben. Zweitens wollte er ein mittelgroßer Chef werden und drittens wollte er zwei Kinder, eine Frau, genauer: Jungfrau.
Er ging hinauf in den vierten Stock. Der Empfangsportier zeigte Richtung hoher weißer Doppeltür. Es war sehr still. Eine der zwei Sekretärinnen zeigte auf den roten Teppich. Amen ging auf dem roten Teppich Richtung Großchef, der hinter einem zwei mal eineinhalb Meter leeren, braun glänzenden Schreibtisch saß. Links und rechts neben dem Schreibtisch standen Gummibäume. Je näher Amen dem Großchef kam, umso mehr wollte er lachen. Er unterdrückte sein Lachen, so gut er konnte. Der Großchef gab ihm die Hand, hieß ihn willkommen und fragte: "Herr Amen, warum lachen Sie?" Amen zuckte mit seinen Schultern, konnte sich nicht beherrschen, lachte und lief den roten Teppich zurück, lief beim Verwaltungsgebäude hinaus, lief und lief.
Bis Urfahr flüsterte er: "Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung...", während er Richtung Wien lief. Die Entschuldigung galt seinem Verhalten. Ohne ein "Auf Wiedersehen" ist er aus dem Büro des Großchefs gelaufen, grußlos an den Sekretärinnen wie dem Empfangsportier vorbei. Er wollte nicht unhöflich sein, konnte nicht anders. Sein ganzer Lebenssinn, seine Lebensziele, seine Zukunftspläne waren mit einem Mal verlacht.
"Nach Wien bin ich gekommen", denkt Amen, während er läuft, sein Fett schwabbelt und sein Atem weit zu hören ist, "weil ich hinter den Vorhang schauen wollte."
(S.64f.)
© 2008 Lehner Verlag, Wien.