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Die Erinnerung an böse Menschen kann zauberhaft sein. Sie setzt mit dem Kind in einem Prachtbau ein. Das Haus lag nicht in den ansteigenden Weinhügeln von Sievering, es thronte auf einer Anhöhe mitten in Sievering. Im Park um das einst herrschaftliche Anwesen aus dem Besitz einer vertriebenen Familie erhoben sich über hundert Jahre alte Mammutbäume, die alle unter Naturschutz standen. Die fossilen Riesenzypressen umringten den mächtigen Bau der Jugendstilvilla. Sie stammten aus Amerika. Wie sie hierhergekommen waren, interessierte noch keinen. Es wimmelte nur so vor Urzeit in diesem seltsamen Park, wo die Zeit an- und abebbte, ganz nach dem botanischen Gesetz der Pilze und Myzelien, Flechten und Moose. Darin waren die Gartenmöbel eingebettet und die Gartenkunst der innewohnenden Zeit gedieh im ewigen Wechsel mit der menschlichen Gepflogenheit, die Natur mit künstlichen Zerstörungsanflügen auszugleichen. Seit dem 19. Jahrhundert wuchsen die frostverträglichen Bäume, von einem Handlungsreisenden in der kaiserlichen Residenzstadt eingesetzt. Sie wuchsen und überdauerten die ständestaatlichen Zeiten, überlebten das Bombardement des Zweiten Weltkriegs und vegetierten weiter bis in die Restitutionsprozesse der neunziger Jahre, als niemand der einst Verjagten die Rückgabe der Villa einforderte, weil sie alle ermordet worden waren. So war der Besitz in Leons Herkunftsfamilie gefestigt.
S. 7f.
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