Sprecher: Frank Heuel, Bettina Marugg, Frank Meyer, Stefanie Herrmann, Oli Iserloh, Peter Böving, Martin Begall, Manfred Adomat, Laas Abendroth
Gesang: Bettina Marugg, Peter Böving
Flöte: Evelin Degen
E-Bass, Klavier, Percussion, Geräusche, Musikelektronik: Peter Böving
Saxophon: Kai Dorgathen
Produktion: Peter Böving
Spieldauer: 45 Min.
ISBN 3-8218-5149-X
Neuditendorf: shower records 2000
"jandls lyrik ist die pure lust am sich öffnen des mundes und an dem, was an silben dabei herausfällt, ein subtiles, manchmal schockierendes beobachten dessen, was laut werden will." So Marianne Weber im Booklet zur CD "Jandls Ernst", auf der Peter Böving, Bettina Marugg und Frank Heuel zusammen mit sechs weiteren Sprechern den Beweis antreten, dass Jandls Texte sich manchmal auch aus anderer Munde als jenem ihres Schöpfers zu voller Wirkung entfalten.
Niemand könne Jandl in der Jandl-Rezitation das Wasser reichen, hieß es oft zu seinen Lebzeiten. Der Dichter wehrte sich vehement gegen diese Ansicht, seine Art, die Lautgedichte vorzutragen, sei nur eine unter vielen möglichen, er hoffe, es werden sich später einmal andere finden, die zu völlig anderen Interpretationen kommen, und außerdem - wenn er der einzige sei, der seine Gedichte vortragen könne, dann nähme er sie schließlich mit ins Grab. Und das will ja schließlich keiner, oder?
Und es haben sich auch andere gefunden, die ihre eigene Lesart entwickelten. Unter anderem Peter Böving. Und Bettina Marugg. Und Frank Heuel. "Jandls Ernst" wurde 1995 mit Schauspiel, Sprech- und Singspiel, Glocken- und Bassspiel, Besteck- und Lichtspiel nicht nur als Hommage an den Spieltrieb, sondern in erster Linie einmal als Bühnenprogramm geboren, mit dem die Interpreten unter anderem die Goethe-Institute halb Nord- und Osteuropas bereisten, und einige Jahre später, 1998/99 als CD produziert.
Nachzulesen ist die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte des Projekts auch auf einer eigenen Homepage unter www.jandlsernst.de, die bisher knapp 7.000 User besuchten, um zu sehen und nicht zuletzt zu hören, wie es gelingen kann, "mit sprache sprachlos zu machen" und wie Jandl-Interpreten heute mit dessen Texten umgehen.
"Jandls Ernst" geht weit über das hinaus, was man landläufig unter "Lesung" versteht. In einem Freejazz der Sprache verschmelzen Geräusche, Worte, Silben, Laute, Klänge zu einem beinahe orchestralen Ganzen, das auf keine Hörgewohnheiten Rücksicht nimmt. "Jandls Ernst" ist weder Hörbuch noch Musik und stellt die Grenze dazwischen in Frage. Rhythmisch versetzte Stimmen, kaum noch zu erkennende Lieder von Brahms und Schumann sind nur ein paar der Zutaten für Feinschmecker.
Als eigenständige Interpreten wagen sich die Künstler sogar über so bekannte Texte wie "auf dem land" oder "schtzngrmm", um ihnen ihre persönliche, verspielte, verjazzte Note zu verleihen, ergänzen Jandls Originalität mit ihrer eigenen. Und der Hörer ist keineswegs überrascht festzustellen: "Jandls Ernst" kennt viel Humor oder, wie Marianne Weber feststellte: "als man seine gedichte zum ersten mal hörte, kullerte einem etwas entgegen, was sich ausnahm wie ein schneeball auf einer sommerwiese. reime, nur von der vorliebe für einen vokal zusammengeballt, silben wie wild vom sprachbaum geschüttelt."
Originalbeitrag
Sabine E. Selzer
20. Mai 2003
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