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Leseprobe: Leon Kane - "Der Fallstrick."



Ich weiß noch, wie das Städtchen aussah, als wir den Bahnhof verließen. Nur an jenem ersten Abend sah es aus wie auf einer Ansichtskarte: enge Straßen, die von einer breiten Allee abzweigten, einige elegante Hotels und ringsum die Berge, die symmetrisch angeordnet waren, wie es der Werbung für diesen weltberühmten Kurort entsprach. Dann verdeckte die Menge, die sich durch die Straßen schob, Häuser und Berge, und wir nahmen nur mehr Menschen wahr. Und als unverwechselbare Gesichter unter ihnen erkennbar wurden, versperrten sie, die uns immer vertrauter wurden, jede weitere Aussicht. Das war das Eigentümliche an diesem Tage des Zusammenbruchs. Die Menschen hatten die Macht über die Dinge verloren, und diese lebten nun ihr eigenes leidenschaftliches Leben. Wir hatten Straßen gesehen, die sich vor Angst aufbäumten, wehklagende Häuser und sterbende Waffen. Dieser Ort war von hysterischem Lachen geschüttelt. Wir besaßen zu dritt sechshundert Francs. Max, sparsamer und vorsichtiger als wir beiden anderen, verwaltete die Kasse. Ich hatte Max zwei Tage nach Kriegsausbruch kennengelernt. Wir waren von den Franzosen interniert worden, die in ihrer Angst Juden, Polen, Tschechen, Staatenlose, Flüchtlinge aus Deutschland und sogar einige echte Nazis zusammengefangen hatten. Die Nazis kamen nach einigen Tagen frei. Sie waren achtbare Bürger, seit Jahren im Lande ansässig, mit französischen Frauen verheiratet, die man nicht ohne ihre Männer lassen wollte. Wir, die unsteten Elemente, hatten die Wahl, bis zum Ende des Krieges in einem Konzentrationslager zu sitzen oder uns freiwillig zur Armee zu melden. Max und ich zogen das Letztere vor. Freundschaft schlossen wir bereits am ersten Tage unserer Internierung.
(S. 9f).

© 2006, Picus Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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