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Der Standard

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Leseprobe: Evelyn Grill - "Vanitas oder Hofstätters Begierden."



Der Bericht der Lokalzeitung über das Begräbnis befriedigte Hofstätter keineswegs. Man schätzte die Zahl der Konduktteilnehmer auf dreihundert, erwähnte sogar einige der prominenten Trauergäste: das Prinzenpaar, den Regierungspräsidenten und die Abgeordneten samt Gemahlinnen, den Theaterintendanten. Aber das ausgeklügelte Zeremoniell wurde mit keinem Wort gewürdigt. Die Inszenierung des Abschieds, das Wiederaufleben des vorkonziliarischen katholischen Rituals war dem Berichterstatter keine Silbe wert gewesen. Auch nicht das klerikale Aufgebot, die auschließlich männlichen Ministranten, schöne Knaben, mit anmutigen Kniebeugen. Gleichfalls unbeschrieben blieb die noble Haltung der Eltern in ihrem Schmerz während des Stabat mater von Pergolesi. Ebenso hatte man verabsäumt, den Verstorbenen selbst herauszuheben und seiner äußeren Schönheit und seiner verborgenen Talente zu gedenken. Auch Petra Harms, seine Nachfolgerin, die sich am Sarg tief erschüttert gezeigt hatte, bedauerte, daß man in den Zeitungen keine Funeralrezensionen bringe. Schließlich würde doch die Ähnlichkeit sinnreicher Begräbnisfeierlichkeiten mit Theaterinszenierungen so etwas nahelegen. Immerhin zeigte eine Aufnahme den eindrücklichen Kondukt, auf dem er selbst mit Olga und dem Prinzenpaar zu erkennen war. Schon während des Leichenschmauses hatte Hofstätter registrieren müssen, daß die ganze kunstvolle Inszenierung letztlich nichts bewirkt hatte, denn bei Semmelkren und Tafelspitz hatte die Gesellschaft den Verstorbenen schon vergessen. Die Gespräche wandten sich bald vom Bedauern über das plötzliche Ableben des jungen, vielversprechenden Mannes allgemeinen Überlegungen über die Vergänglichkeit alles Irdischen zu, bis die Trauergäste schließlich nur noch des Hic et nunc gedachten und sich entschlossen zeigten, ihrem endlichen Dasein längstmögliche Dauer abzutrotzen. Rückblickend fühlte er sich wie ein Regisseur, dessen Arbeit beim Publikum ohne Resonanz geblieben war. Immerhin erntete der echte Wiener Tafelspitz Lob.
(S. 97f)

© 2005, Residenz Verlag, St. Pölten, Salzburg.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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