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Der Standard

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Leseprobe: Thomas Glavinic - Lisa.



Gleich zurück. Will mal sehen, ob bei Alex alles in Ordnung ist.

Okay, der schnarcht. Es ist lustig, wenn Kinder schnarchen. In ein paar Jahren wird es vermutlich eher nerven, aber noch finde ich auch die Füße süß. In fünf oder acht Jahren werden das Surfbretter sein, die typischen Männerfüße eben, und hat jemand schon mal süße Männerfüße gesehen, also ich bestimmt nicht.
Woran das bloß liegt. Ich meine jetzt die Männer und ihre Füße. Frauen haben so unglaublich schöne Füße, auch ganz unansehnliche Frauen haben mitunter die zartesten und schönsten Füße. Bei Männern sind es meistens Klauen, ihr braucht nur mal ins Schwimmbad zu gehen oder bei schönem Wetter im Café zu sitzen und euch umzuschauen, lauter Monsterexponate von groben, ungepflegten Stampfern, igitt.

Mir war, als hätte ich was … Es ist komisch, jedesmal wenn ich von dieser Frau zu reden beginne, ist das Zimmer plötzlich voller Teufel. Dabei bin ich ein nüchterner Mensch. Horrorfilme: Gähnen. Geisterbahn: Kichern. Schauergeschichten: keinerlei Effekt. Aber diese Gen-Sache … Ihr werdet schon noch hören. Und wenn einer von euch noch immer glaubt, ich wärme hier alten Kaffee auf, er kennt die Geschichte aus der Zeitung, dem sage ich nur, warte ab.

Lustig, meine Kreditkarte sieht aus wie … wenn du die in den Automaten schiebst, musst du eine Kehrschaufel unter den Schlitz halten, da rieselt es raus, ist ja fast schon peinlich.

Ich rede und rede und keiner kennt sich aus. Ich fasse zusammen: Ich bin in einem Ferienhaus, zusammen mit meinem Sohn, weil ich es vorziehe, mich nicht in die Nähe meiner Wohnung zu begeben, die ein paar hundert Kilometer entfernt ist. Ich möchte nicht gefunden werden. Deswegen erwähne ich auch nicht, wo ich mich aufhalte. Aus Gründen, die gar nicht so einfach zu erklären sind, über die ich aber gleich sprechen werde, habe ich das Gefühl, verfolgt zu werden, und das Verschwinden meines Polizisten, ich sage meines Polizisten, weil er wirklich meiner geworden ist, sein Verschwinden hat die Sache für mich nicht besser gemacht. Vielleicht haben sie ihn ins Irrenhaus gesteckt. Das wäre furchtbar, aber es wäre mir immer noch lieber, als dass …

Musste mir ein Sandwich machen. Für meine Kochkünste werde ich nicht in den Himmel kommen, das ist sicher. Bins ja nicht gewöhnt. Im Job wird jeden Tag von einem anderen Kollegen Pizza bestellt, da hängt ihr euch eben dran. Alex tut mir leid. Er gewöhnt sich an alles, ihm macht es nichts aus, immer nur Dosenfutter zu essen. Er tut mir trotzdem leid, so etwas darf nicht sein. Aber in diesem Leben wird kein Koch mehr aus mir, ich habe es nie gelernt und wollte es nie lernen.
Mir geht das ganze Getue drumherum so auf die Nerven. Früher hat man einfach gekocht, gut gekocht, und basta. Heute braucht man zum Glücklichsein unbedingt ein spezielles kaltgepresstes Olivenöl und einen Fisch, dessen Namen man nicht mal buchstabieren kann, und dazu muss es der Weißwein von diesem und sicher nicht von jenem Winzer sein, und blablabla, und vor allem muss man es jedem erzählen! Dieses ganze Esskulturgefasel! Deswegen gibt es Fernsehköche, die zwischendurch cool Basketball spielen und sich dann, wenn sie weiterkochen, nicht die Pfoten waschen. Bitte, wer es mag. Ich will es niemandem ausreden, ich will nur damit in Frieden gelassen werden.
Ich rede schon wieder wirres Zeug oder bringe jedenfalls alles durcheinander. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich herumdrücke.

© 2011 Hanser Verlag, München.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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