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Leseprobe: Klaus Ebner - Auf der Kippe

eingepfercht

Die Kaffeetasse zitterte, weil sie die Hand nicht mehr ruhig halten konnte, der Fernseher, Spätnachrichten, bannte ihren Blick, anfänglich war ein undefinierbarer Laut aus ihrer Kehle gedrungen, doch erst kurz danach hatten die Umsitzenden reagiert, sich ihr zugewandt und verstanden, dass sie soeben ihren Sohn gesehen hatte, im TV-Bericht, sie näherten sich der Frau, fassten ihre Hand und nahmen ihr die Tasse ab, um sie auf das Tischchen zurückzustellen, bosnische Rufe gellten durch den Raum, großteils unverständlich für mich, der ich lediglich rudimentär diese Sprache gelernt hatte, und der Oberkörper der Frau schien in einem Schüttelkrampf aufzugehen, ohne dass die etwas dagegen tun konnte, zwei der Freunde hielten sie an den Armen fest und versuchten beruhigend auf sie einzureden, während das Antlitz ihres Jungen, eines Achtzehnjährigen, der im Land geblieben war, wieder vom Bildschirm verschwand, die Kamera auf andere Gesichter schwenkte, die ebenso ernst, ausgemergelt und mit großen, tiefen Augen in die Linse sahen, fast so, als ginge sie das gar nichts an, die Wachtürme im Hintergrund, die Eckpfosten aus Beton, das Bellen der Hunde, der Stacheldraht, der vor den knochigen Körpern der Männer vielfach den Weg versperrte und über die Fernsehsender auch der Welt bekundete, dass in Europa wieder Konzentrationslager standen.
(S. 27)


vorsichtig

Nicht genug, dass nun ein zentimeterlanger Riss seine Nase zierte, genau an der Spitze, wo nun jeder, den er traf, verblüfft hinsah, musste er jeden Abend damit rechnen, die Wohnungstür nicht mehr aufzubringen, weil das Schloß getauscht war, er traute sich kaum mehr heim und geriet schon Stunden vorher in einen panikähnlichen Zustand, der ihm die Kehle zuschnürte und allen Bewegungen eine gewisse Fahrigkeit verlieh, doch obwohl er, so glaubte er, in manchen Augenblicken ganz dicht davorstand, etwas Unüberlegtes zu tun, hielt er sich mit aller Kraft zurück, verstummte flugs, zog den Kopf quasi auf Schulterhöhe ein und schluckte Gram und Empörung ohne zu beißen hinunter, er trat wieder ins Haus oder ins Nebenzimmer, versuchte möglichst wenig bei ihr anzuecken und kein zusätzliches Gezeter heraufzubeschwören, um schließlich seinen Sohn in die Arme zu nehmen, denn er wusste nie, wann dies zum letzten Mal geschähe.
(S. 120)


© 2008 Arovell Verlag Gosau-Salzburg-Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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