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Diana Köhle, Markus Köhle (Hrsg.): Ö-Slam. 1. österreichische Poetry Slam Meisterschaft.

Wien: Edition Aramo, 2008.
215 S.; brosch; CD; Eur 16,-.
ISBN 978-3-9502485-1-7.

Link zur Leseprobe

Zehn Jahre nach dem deutschen National Poetry Slam ging die erste österreichische Meisterschaft im Oktober 2007 vor knapp 700 Besuchern über die Bühne des Wiener WUK. Vier monatlich und drei halbjährlich seit 2002 zwischen Innsbruck und Wien ausgetragene Wettbewerbe angewandter Bühnendichtkunst bildeten die Basis für das Auswahlverfahren, welches achtzehn Slammer und sieben Slammerinnen zwischen 17 und 64 Jahren bestanden. Eine komprimierte Text- und Audio-Dokumentation der Meisterschaft liefert diese Lyrik und Songs, Prosa und Dramolette umfassende Anthologie.

Was macht die mittlerweile via deutsches Fernsehen übertragene, verzögert auch hierzulande ansteigende Slam-Begeisterung aus? Den "eventistischen" Charakter teilt man mit anderen Literaturveranstaltungen, welche performativ oder aktuell ballesterisch den Unterhaltungsaspekt postmoderner Literaturvermittlung betonen, die kompetitive Ausrichtung etwa mit dem Klagenfurter Wettlesen oder den Open Mikes in Berlin. Für die hohe Resonanz verantwortlich dürften einerseits die psychologische Barrierefreiheit zwischen Vortragenden und Publikum sein, das andererseits eine aktive und wirkmächtige Größe darstellt. Schließlich entscheidet es über den Aufstieg in die nächste Runde, Sieg oder Niederlage, und die meist auf fünf Minuten des Ruhmes limitierten SlammerInnen geben sich – Erwartungshaltungen antizipierend oder torpedierend – allerhand Mühe, es für sich zu gewinnen. Dementsprechend werden die Schnellsprechtexte auf dieses Wechselwirkungsspiel hin sehr eindringlich verfasst, schauspielerische und musikalische Elemente involviert.

Das Themenspektrum dieser Anthologie reicht zeitlich von den Siebzigern bis in die Jetztzeit. Der einstigen Stadtguerilla und in Stammheim gelandeten RAF stellt Thomas Havlik posthume, den Adepten im globalen "Pappalapparat" kritische Fragen. Alex Gendlin spannt einen Bogen von den "Psychobombern" seiner Kindheit in den Achtzigern (Barbapapas, Willi, Wickie und Kasperl) bis zu den Humanressourcen-Zynikern in heutigen Personalbüros, während Jessica Lind das Systemschwachstellen-Dasein der "Generation 0" thematisiert. Die Politik wird zumeist im Alltag festgemacht, auf diesbezügliche und Gender Correctness gepfiffen. Die meisten AutorInnen betten ihre Kritik an den Zuständen in alltägliche Beziehungsnöte. Gott muss sich für den angerichteten Weltschaden rechtfertigen (Didi Sommer) oder dient als Vorwand für Bürokratieabbau (René Monet), Väter ergehen sich in einem "Zutzeldreier" zwischen Babywindeln und Karottenbrei (Grammadig).
Sprachlich prallen diverse Großstadtjargons mit englischen spoken word -Einsprengseln auf Mühlviertler, Wachauer und steirische Dialekte, als "sprachlack in hochglanz" (Chrischa) manifeste Medienslogans auf psychogeographische Urbanexpressivität (Shin Fynx). El Awadallas Mädchenrollendiktate dechiffrierende Wutprosa wird hingegen von Feminismus light konterkariert. Wolfgang Kühns bitterschwarzes, Falcos "Jeanny" paraphrasierendes Dialektlied "Simandl" trifft auf Mieze Medusas gerappte "akustische Gegenoffensive" zu "Slampapa" Markus Köhles rhythmischer Begehrensoffenbarung als "Intimsoftwarehandler".

Beat-literarische Deklamationen, dadaistische Attacken oder surrealistische Provokationen sind in diesem gleichwohl energetischen Querschnitt einer äußerst vitalen, dabei Generationen vereinenden Szene kaum welche zu finden. Auch hat die anfänglich starke Orientierung an Hip Hop und onomatopoetischen Experimenten abgenommen, wohingegen Mundartdichtung und Sprachmixturen blieben. Während die Pointenfeuerwerke, Wortspielkaskaden und Assoziationsgewitter für die Bühnenperformance im Referenzpurgatorium der Aufmerksamkeitsökonomie sehr gut funktionieren, zeigen die ruhigeren oder sprachexperimentelleren Texte den Mut zur über diese hinausgehenden Langdistanz. Die der (österreichischen) Literatur gerne gestellten Forderungen nach Welthaltigkeit und Authentizität werden in Poetry Slams dieser Qualität nonchalant eingelöst.

 

Roland Steiner
2. Juni 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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