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Leseprobe: Andreas P. Pittler - "Ezzes."

Es war gegen 20 Uhr gewesen. Er hatte das Bezirkskommissariat Innere Stadt schon längst verlassen und saß nun im Silberwirt in der Schlossgasse, keine hundert Meter von seiner Wohnung im letzten Stockwerk des Hauses Nummer 7 entfernt. Mit sich und der Welt zufrieden – kein Wunder, der Schweinsbraten war ja wieder einmal wirklich hervorragend gewesen, dazu das saftige Sauerkraut und die schmackhaften Semmelknödel – gönnte er sich ein zweites Malzbier und sah den Arbeitern der Fabrik "Bothe & Ehrmann" zu, die sich den Feierabend mit einer Partie Preference verkürzten. Dieses Spiel sagte ihm selbst wesentlich mehr zu als Tarockieren, und so konnte er auf den ersten Blick erkennen, dass der großgewachsene Jüngling mit seinem Bettler niemals durchkommen würde. Eine viel zu riskante Ansage. Ihm fehlten in der Karo der Siebener und der Achter, und wenn die beiden getrennt waren – und das waren sie – und seine Gegenspieler nicht geistig vollkommen derangiert agierten, dann war spätestens an dieser Stelle Endstation. Bronstein ertappte sich dabei, dass er gerne mitgespielt hätte, doch wahrscheinlich war er hier zu bekannt, um sich an einem Glückspiel zu beteiligen, selbst wenn es nur um ein paar Groschen ging. Ein Oberstleutnant der Polizei, der sich solchen Vergnügungen hingab, hätte keinen akzeptablen Leumund mehr, auch wenn allgemein bekannt war, dass die höheren Chargen der Polizei oft und oft im Casino anzutreffen waren oder, schlimmer noch, in zwielichtigen Etablissements der Halbwelt, wo sie dem Stoß frönten – was durchaus nicht immer das Kartenspiel meinen musste. Jedenfalls saß Bronstein da und sah den jungen Arbeiter eben grandios verlieren, als die Tür zum Gastraum aufgestoßen wurde und der alte Pokorny schwer schnaufend die Schankstube betrat. Der alte Pokorny, das war auch so eine Institution der Wiener Polizei. In jenem Jahr, da die Donaumonarchie die Verwaltung von Bosnien und Herzegowina vom Berliner Kongress übertragen bekommen hatte – und das war nun immerhin fast 50 Jahre her –, da war er 14-jährig in die Polizeischule eingetreten, weil es bildungsmäßig nicht für die Militärrealschule gereicht hatte. Eigentlich hatte es seit der Ausrufung der Republik immer wieder Versuche gegeben, den alten Pokorny zu pensionieren, aber der hatte es stets verstanden, seinen Abschied noch einmal ein wenig hinauszuschieben. Doch die gesamte Wiener Polizei wusste, in einem Jahr, da würde man dem Pokorny eine goldene Taschenkultur in die Hand drücken, ihm zum 50-jährigen Dienstjubiläum gratulieren und ihn dann ein für alle Mal aufs Altenteil schicken. Vorerst freilich war Pokorny noch im Dienst und Bronsteins Gruppe zugeteilt. Und da der alte Pokorny in Ottakring wohnte, konnte sich Bronstein ausrechnen, dass der Mann nicht zufällig dieses Lokal betreten hatte. "Servus, Oberst", ließ sich Pokorny daher auch vernehmen, den "Leutnant" wie gewohnt verschluckend, "mia ham an Mord."
"Na, an Bettler", gab Bronstein lakonisch zurück. Pokorny verstand den Aperçu nicht, da er nicht auf die Kartenspieler geachtet hatte, weshalb er nicht wissen konnte, dass hier preferanzt wurde, wo der "Mord" die höchste Spielstufe ist, eine über dem "Bettler", der wiederum eine über der "Herz" steht. Daher sagte Pokorny nur: "I glaub ned, dass des a Bettler war, aber i hab eam a no ned g'sehn."
Bronstein verdreht kurz die Augen. "Wo geht's hin?" "A Greißlerei in der Bartensteingassen. Der Tote liegt in der Speis'."
(S. 9-11)

© 2009 echomedia verlag / Wien live edition, Wien.

 


 

 

 

 

 

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