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Leseprobe: Susanne Alge - "Premiere für Han Li."

Niemand machte den Eindruck, als schämte er sich für mich, obwohl alle außer Antonia studierten. Es handelte sich eigentlich um den Freundeskreis ihres Bruders Klaus, der auch der Netteste war. Und der Schönste. Und der Gescheiteste. Natürlich war Jasmin seine Freundin. Mich behandelte er nicht direkt wie ein Kind, aber auch nicht wie eine Frau. Zum Schluss küsste er mich. Leider küssten sie sich alle. Nicht so ausführlich wie Honecker und Breschnew, aber ganz ähnlich.
Dass ich mich gar nicht äußerte, als sie über die Inszenierung sprachen, fiel wahrscheinlich nur mir auf. Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagten. Aber wenigstens lernte ich, dass es nicht darauf ankam, was für ein Stück man gesehen hatte, sondern darauf, was der Regisseur daraus gemacht hatte. Einig waren sie sich darüber, dass der Schauspieler, der den Othello gespielt hatte, zum Wegwerfen war. Der Freund von Klaus sagte noch, dass der immer zum Wegwerfen sei, und Antonia beschwerte sich, dass der Beleuchter einen Blindenhund bräuchte.
Ich hatte noch nie gehört, dass man im Theater genau auf das Licht achten musste, außerdem hatte ich mich viel zu sehr mit Othellos Frau beschäftigt. Wie hätte ich an ihrer Stelle gehandelt? Ich hätte wahrscheinlich auch nicht um mein Leben gebettelt, aber ich hätte bestimmt nicht ans Beten gedacht, sondern überlegt, wie ich Othello daran hindern könnte, mich umzubringen. Meine Haltung war klüger, besonders weil Othello kurz danach erkennen muss, dass er sich geirrt hat. Ich hätte unser Leben gerettet, aber daraus wäre niemals ein Drama geworden.
Genau das war mein Fehler. Ich beneidete Desdemona um ihr außergewöhliches Schicksal, dachte aber nur daran, Othello zu entkommen. Ich bewunderte Raskolnikow für seinen Mut und wagte es nicht einmal, eine Dose Tannenduft zu versprühen. Oder wenigstens Seife von meinem Chef zu fordern. Wenn das so weiterging, konnte ich so viele Bücher lesen wie ich wollte, ich würde ewig die Tochter meines Vaters bleiben. Feige und zögerlich. Und wer wusste, was von Mutter in mir steckte.
(S. 53f)

© 2009 Limbus Verlag, Hohenems

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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