Y: Ich will eine Terroristin vom Schlage einer Ulrike Meinhof sein, Mitglied einer kleinen, aber gefürchteten Brigade, eine Kämpferin im Großstadtdschungel. Ich und meine Freunde haben uns den Kampf bis zum Tod geschworen. Wir leben unter falschen Namen und mit gefälschten Pässen in immer wechselnden Domizilen. Wir sind bewaffnet. Wir planen Anschläge auf US-Botschaften und auf neoliberale Politiker und führen sie auch aus. Unter der Bevölkerung haben wir viele Sympathisanten. Elektropop-Musiker schreiben Lieder über uns. Unser Insigne, eine Schlange, die sich um eine Kalaschnikow ringelt, taucht vermehrt an Häuserwänden und auf T-Shirts auf. Die polizeiliche Fahndungsliste mit unseren Konterfeis ist ein beliebter Wandschmuck in WGs. Wir kämpfen für das Volk und gegen die Globalisierung. Teleologischer Materialismus. Das ist unser Schlagwort. Eines Tages werden wir jedoch verraten, von den Bullenschweinen geschnappt und in einen Hochsicherheitstrakt gesperrt. Später werden sie euch sagen, wir hätten Selbstmord begangen, aber glaubt ihnen kein Wort! Lotta continua!
X: Und dann?
Y: Nichts dann. Das reicht ja wohl schon.
Z: Vielleicht möchte ich nur auf einem Gut auf dem Land wohnen, mit eigenem Gemüsegarten und ein paar Tieren.
X: Oder ein Tramp sein. Mit einem Rucksack, da ist alles drin, was man besitzt. Durch die Welt reisen. Mal hier, mal da schlafen.
Y: Oder ins Kloster gehen. Einen geregelten Tag haben. Einer Gemeinschaft angehören. Das Leben Gott weihen. Fasten ... Dann wäre man auch immer schön schlank.
(S. 23f.)
© 2004, Edition Korrespondenzen, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.