In diesen Momenten war ich dann wieder glücklich, daß Conny in meiner Nähe und in meinem Leben war. Solche Gespräche schienen mir die einzige Form zu sein, in der es möglich war, jedem Machtgefüge auszuweichen. Und Sexualität kam mir im Gegenteil immer vor wie eine Handgreiflichkeit, wie ein Um-jeden-Preis-gewinnen-Wollen, aber auch wie eine Sackgasse, wie ein Stillstand, eine Ausweglosigkeit, wie etwas, auf das man immer wieder hereinfällt.
Zu Hause hatte ich mir eine Zeitlang nahezu jeden Abend Pornovideos ausgeborgt und angesehen. Die durch die Darsteller an den Tag gelegten Verhaltensmuster beeindruckten mich. Es schien eine übermächtige Methodik dahinterzustehen, eine Methodik der Ausbeutung, nicht nur die Frauen in den Filmen, sondern auch ich, als Zuseher, fühlte mich geplündert und desillusioniert, als würde mir unterschwellig vermittelt werden: Ja, schau nur hin, das möchtest du in Wahrheit ja auch. Da diese Botschaft mit einem sexuellen Kitzel gekoppelt war, war es fast undenkbar, ihr zu entgegnen, denn wann immer ich mich meiner Sexualität gegenüber sah, fühlte ich mein Denken in den letzten Winkel meines Körpers gedrängt. Nur wenn ich mich nicht ernst nahm, konnte ich mich daran erfreuen, aber das Gefühl, mich nicht ernst zu nehmen, uferte dann immer aus, und was von mir übrigblieb, war nur ein ständiges Sich-über-den-Haufen-Werfen. Ich bewunderte Conny, die das alles nicht in dieser Weise zu belasten schien, und manchmal beneidete und haßte ich sie sogar dafür. Die Sexualität beginnt mich aufzufressen, schrieb ich auf einen Zettel und wollte ihn Conny in die Tasche stecken, aber dann hatte ich Angst vor der Frage, wie ich das meinen würde, und ich warf ihn weg, denn ansonsten hätte ich ehrlich sein müssen.
(S. 69.)
© 2003, Jung und Jung, Salzburg, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.