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Leseprobe: Peter Bader - "Anarchistenblut"

"Mit 17 schon realbookfest. Die meisten Standards beherrschte er auswendig. Mit 19 die Matura am Musikgymnasium. Mit Auszeichnung, versteht sich. Klavier, hier sein Hauptinstrument, draußen Nebensache, das Saxophon war sein Ding. Brüderchen hatte den J. S. Bach Superstar immanenten Swing provokant herausgearbeitet." Insgesamt habe diese Schule keinen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. "Ich mußte mich nicht einmal bemühen, die Typen zu vergessen", habe sein Bruder gönnerisch zu ihm gesagt. "Die Typen" hingegen erinnerten sich noch recht lebhaft. Von ehemaligen Mitschülern hörte ich, er sei unterfordert, gelangweilt und deshalb ständig aufsässig gewesen. Der knapp zwei Jahre jüngere, schon mit fünf Jahren eingeschulte Bruder sei noch unmöglicher gewesen. Immer aufgepfropft witzig. Überall Gründe gesehen, sich über irgend jemanden oder irgend etwas lustig zu machen. In Wirklichkeit nur halblustig, bemüht und dadurch mäßig geistreich, lauwarmer Schmäh, aber kaum zu bremsen, sei er in Fahrt gewesen, immer herablassend. Oft frauenfeindlich und vulgär. - Zwei unerfreuliche Schüler, alles in allem, zweifellos sehr begabt, aber Talent sei Dutzendware; Talent ja, Genie nein. So habe es ja enden müssen, sie hätten sich beide nicht einordnen können in die Gemeinschaft, der Ältere habe es herausgefordert. Mehr wolle er dazu nicht sagen. (Klassenvorstand X).
Im darauffolgenden Herbst habe er gleich die Aufnahmeprüfung für die Jazz-Hochschule mit Bravour bestanden. Der musiktheoretische Teil, lächerlich, der praktische Teil, langweilig. - Der Bruder habe affektiert den Raum betreten, in Krokodillederstiefeln, die Kommission mit einem Griff an die Hutkrempe begrüßt, daraufhin seinen Panamahut in eine Ecke geschossen und die Gesichter, während er sich das Saxophon gelangweilt umschnallte, uninteressiert "Was spiel'n ma?" gefragt. Der Vorsitzende der Prüfungskommission habe dann gleich Giant Steps vorgeschlagen, um dem übermütigen Schnösel zunächst einmal Respekt einzuflößen. Die Prüfungsband habe in einem Affentempo losgelegt, habe die ganze Progression on cue chromatisch hin und hergerückt, die tückischen Coltrane-Changes chromatisch rauf und runter gerückt, er sei nicht aus der Ruhe zu bringen gewesen, es hieß, er habe nicht nur gehört, wohin sie modulierten, sondern vorher schon genau gewußt, was sie als nächstes tun würden - "Giant Steps: Ein großer Schritt für die Jazzmusik, ein kleiner für mich, habe er arrogant gesagt." Ein Satz, den er sich zurecht gelegt hatte für diesen Anlaß, nicht nur für diesen Anlaß: "Ständig sagte er diesen Satz, es war schon nicht mehr komisch." Er habe gewußt, daß sie auf seine Arroganz mit Giant Steps reagieren würden, sie seien berechenbar gewesen - Der Vorsitzende habe gefragt: "Wollen Sie gleich die Abschlußprüfung machen?" So die Legende. Doch die Hochschule hat er nie abgeschlossen. Das eine Studienjahr habe er ähnlich "unkonventionell" gestaltet wie seine Schullaufbahn. Immer weniger "hingegangen" (Kurse), dafür immer mehr in Richtung Clown. Dann sei er zwei Monate in den USA gewesen, Studienaufenthalt, mit den Besten gespielt, hieß es offiziell. Inoffiziell: wohl eher mit den Besten unter den Jazz-Akademie-Studenten, Newcomern; zurückgekehrt, kleiner als er ging, in Wahrheit nie wirklich fortgewesen. Bald darauf die Schrotflinte abgesägt. (S. 110ff.)

© 2000, Hecht, Hard.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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