Ob er mich geschwängert hat? Das ist sein größter Wunsch, ich weiß es. Mein Herr Papa, der Kaiser, will es auch. Er meint, wir hätten dann stärkeren Einfluß auf ihn. Mehrmals hat er mir das eingeschärft bei der einzigen Zusammenkunft, die wir vor meiner Abreise hatten. Ein Sohn von ihm, geboren von einer kaiserlichen Prinzessin, würde ihn für immer trennen von seiner jakobinischen Vergangenheit und ihn zu einem Vertreter der ligitimen Macht machen. Ich hab Papas Worte noch im Ohr, ebenso wie die, die er mir sagte, als ich noch ganz klein war und er mich auf den Schoß nahm wie ein guter Vater seine kleine Tochter: 'Nie werd ich dich verheiraten gegen deinen Willen, mag es auch noch so sehr das Staatswohl verlangen!' Ich wollte ihn daran erinnern. Aber er wußte genau, was ich sagen würde, und gebot mir mit einer Handbewegung zu schweigen.
Kaiser Napoleon liegt neben mir und schläft. Wird es schon hell oder scheint es mir nur so? Entsetzlich! Die Grete wird in mein Zimmer kommen, um mich zu wecken, und mein Bett wird leer sein. Sie wird die Leute alarmieren, sie werden mich überall suchen und schließlich hier finden, nackt, im Bett mit einem Mann. (S. 58)
Der Anton klopft ans Haustor. Nichts geschieht. Er klopft weiter, und immer stärker, bis schließlich ein Mann erscheint und das Tor einen Spalt breit aufmacht. Zweifellos ist es der Pförtner. Er erklärt uns einigermaßen widerwillig, daß niemand hineindarf, denn es tage gerade die Empfangs-Komission für Ihre Kaiserliche Hoheit, die Frau Herzogin Marie Luise.
Ich sag ihm, daß ich das bin. Worauf er in lautes Gelächter ausbricht. So soll die Durchlauchtigste Frau Herzogin ankommen, als einfache Reisende und ohne jedes Gefolge? Unmöglich! Ganz plötzlich aber bricht sein Lachen ab und er wird ernst. Wahrscheinlich zuckte durch sein Hirn der Gedanke, daß doch wahr sein könnte, was wir sagten. Vor unser Nase schlägt er das Tor zu. Vermutlich will er sich Instruktionen holen. (S. 271)
(c) 1997, Edition Atelier, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.