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Leseprobe: Bettina Balàka - Kassiopeia.

Wolfgang erfuhr, dass Judit zwar alle möglichen Listen führte, aber kein Haushaltsbuch. Judit erfuhr, dass Wolfgang die Kunst des Sparens so weit trieb, dass er im Supermarkt nach abgelaufenen und preisreduzierten Lebensmitteln griff. Wolfgang erfuhr, dass Judit die Verschwendung so weit trieb, dass ihr ein abgerissener Knopf genügte, um ein Kleidungsstück zu entsorgen. Dasselbe galt für geschenkte Blumensträuße, die nicht zur Einrichtung passten. Judit erfuhr, dass Wolfgang seine Verwandtschaft zu Weihnachten mit gebrauchten Handys und Secondhand-Schals bedachte, und Wolfgang erfuhr, dass Judit zum Skifahren keineswegs eine Thermoskanne mit heißer Suppe mitnahm, sondern die alpine Gastronomie frequentierte. Judit erfuhr, dass Wolfgang einmal mit seiner Ex-Frau (von der sie an dieser Stelle ebenfalls zum ersten Mal erfuhr) in London einen Riesenstreit hatte, weil diese zu einem sündhaften Afternoon Tea bei Claridge’s gehen wollte, und Wolfgang erfuhr, dass Judit überhaupt noch nie in London gewesen war, ohne zum Afternoon Tea zu Claridge’s zu gehen. Judit erfuhr, dass es sich bei Wolfgangs Rolex um eine gelungen Fälschung aus Thailand handelte und dass er die Begegnung mit Kakerlaken als Bereicherung jeder Reise ansah. Wolfgang erfuhr, dass Judit lieber gar nicht ins Theater ging, als auf einem schlechten Platz zu sitzen. Judit erfuhr, dass Wolfgang ohnehin nie ins Theater ging, aber im Kino die billigsten Plätze bezahlte, um sich später nach hinten zu setzen. Wolfgang erfuhr, dass Judit eher gestorben wäre, als sich Reste aus einem Restaurant einpacken zu lassen, und Judit erfuhr, dass Wolfgang eher gestorben wäre, als sich von seinen alten Hausschlapfen zu trennen. Wolfgang erfuhr, dass Judit weder Fenster putzte, noch Flusensiebe reinigte oder Wasserkocher entkalkte, da es dafür schließlich ausgebildetes Personal gab. Judit erfuhr, dass Wolfgang eine Klobürste benutzte, die aus der Verlassenschaft seiner Großmutter stammte. Judit erfuhr, dass Wolfgang sich die Haare selbst färbte (was ihr endlich eine gewisse Irritation beim Anblick seiner Schläfen erklärte), Wolfgang erfuhr, dass sich Judit im Normalfall nicht einmal die Haare selbst wusch. Judit erfuhr, dass Wolfgang Immobilien besaß, die er gewinnbringend vermietete, Wolfgang erfuhr, dass Judit Immobilien besaß, die kostspielig verfielen.
Und in dem Maße, in dem sie einander als soziologische Fallstudien zu betrachten begannen, begann auch der erotische Zauber zu schwinden.

(S. 42f)

© 2012 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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