(...) so viel geht uns ab in der heutigen Zeit, sagt Grete, die nur mehr auf Profitmaximierung ausgerichtet ist. (Nein, man kann ihr nicht böse sein. Ununterbrochen strahlt ihr guter Wille durch, ihr ehrliches Bemühen, wirklich zu helfen, zu verbinden und zu unterstützen, die Herzensgüte, die sie vor sich herträgt wie eine Auszeichnung.) Ich kann die Menschen unterstützen bei der Suche nach dem, was ihnen gut tut, sagt sie. Ja, Mutter, sagt Thomas, und damit verdienst du mittlerweile ganz prächtig. Seit wann bist du denn gegen das, was ich tue, sagt Grete. Ich bin gar nicht dagegen, sagt Thomas, ich finde nur, du solltest die Dinge beim Namen nennen. Wir sind doch unter uns, nicht wahr, alle einschlägig ausgebildet; fast, sage ich. Wie viele ich kennen gelernt habe, sagt Grete und lässt den Blick ins Unendliche wandern, oder zumindest in die Weiten hinter meinem Kopf, wo sich ein kleiner rustikaler Bücherschrank befindet, den ich mit dem üblichen Bildungsbürgerschmus gefüllt habe, den nie einer liest (...).
Wie oft ist mir das passiert, sagt Grete, dass ich Leute treffe, die einem wirklich etwas geben können, weißt du, die wirklich etwas zu geben haben, und dann wagen sie es nicht, Geld dafür zu nehmen, und ich versuche ihnen dann klar zu machen, dass es nichts Unmoralisches ist, Geld anzunehmen für etwas, das man den Menschen geben kann, schließlich muss einem die seelische Gesundheit doch mindestens so viel Wert sein dürfen wie, sagen wir, ein neues Auto, was meinst du, Katharina. Ich lächle, schon aus professionellen Gründen halte ich mich raus aus Diskussionen aller Art. Mein Bild steht euch zur Verfügung, aber ich werde mich hüten, das laut zu sagen, ich lächle etwas breiter. Seht in mir, was ihr sehen wollt, ich biete ein angenehmes Äußeres, ich stelle das Ambiente zur Verfügung; höchstens abkühlend, ablenkend und glättend greife ich einmal ein, wenn es denn wirklich nötig sein sollte, das ist alles. Ich verbreite Konsens und Wohlwollen. Die Ungreifbarkeit meiner Person ist Teil der Dienstleistung.
(S. 31f)
© 2005, Paul Zsolnay Verlag, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.