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Leseprobe: Franzobel - "Mundial. Gebete an den Fußballgott."

Vielleicht hat besonders Fußball - wie tendenziell auch jeder andere Mannschaftssport - etwas mit dem Ersatz der Großfamilie zu tun, der Sippe. Was in einer föderalistisch-ländlichen Struktur in Bauer, Großknecht, Knecht und Depp unterteilt war, wird im während der Industrialisierung entstandenen Fußball als Spielmacher, Stürmer, Mittelfeldspieler, Vorstopper, etc. numeriert. Daneben gibt es Kaiser, Herzöge und Wohlfahrt, Manager, Trainer, Platzwart. Was früher in der Gemeinschaft und ihren festen Sitten und Gebräuchen Ordnung und Kodex fand, ist den Holzhackern und Bloßfüßigen im FIFA-Regelwerk ans Bein gestrengt. Waren die Vollstrecker dieser Gerichtsbarkeit im wirklichen Mittelalter mit Strafverfügungen wie Prügel, Essensentzug und Entkommunizierung ausgestattet, haben die Instanzen im Fußball bloß gelbe und rote Karten, die vielleicht für Fegefeuer und Hölle stehen. Wie das Recht galt auch das Fußballregelwerk lange Zeit als gottgegeben, bis man vor einigen Jahren, zum Unmut vieler, einige Modifikationen durchführte (Rückpassregel, Abseits auf gleicher Höhe, etc.). Für das Abseits, das Abc für die Analphabeten unter den Zusehern, sind übrigens die im Österreichischen als Outwachler umkosten Linienrichter zuständig, deren dubiose Rolle vor allem darin besteht, Vergehen anzuzeigen - vergleichbar vielleicht den Hinweisanrufern der Sendung Aktenzeichen XY ungelöst. Ist es also ein Trieb nach Sippe, nach Gemeinschaft, menschelnder Wärme und Brut, der die Anhänger zu den Vereinen strömen lässt, die Menschen für den Fußball interessiert? Ich vermute es. Wird doch hier eine Ordnung vorgelebt mit einem System von Gut und Böse, einigermaßen festen Regeln, einer in Punkten messbaren Zählbarkeit, die in vielen anderen Segmenten der Gesellschaft ins Wanken, Umspringen und Undeutliche geraten ist. Im Fußball steht sie fest. Es gibt eine Tabelle, Nah- und Fernziele, den Abstiegskampf, die Meisterschaft. Und das ist wohl ein weiterer Punkt, der diesen Sport so populär macht - auch oder gerade unter Schriftstellern: man kann darüber reden, ohne sich gleich zu veräußern.

© 2002, Literaturverlag Droschl, Graz, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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