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Michael Köhlmeier: Idylle mit ertrinkendem Hund.

Wien: Deuticke, 2008.
112 S.; geb.; Eur 13,30.
ISBN 978-3-552-06076-0.

Link zur Leseprobe

Vor fünf Jahren ließ die viel versprechende Jungautorin Paula Köhlmeier, von deren Talent ihr postum erschienener Erzählband "Maramba" (2005) zeugt, am Schlossberg ihr Leben. Michael Köhlmeier sucht in "Idylle mit ertrinkendem Hund" nach Wegen zur Auseinandersetzung mit seinem Verlust und reflektiert über die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer literarischen Aufarbeitung. Es ist ein Grenzgang, den der Autor in der weißen Hohenemser Winterkulisse beschreiten muss.

Neben der autobiographischen Dimension der Geschichte, in der sich Köhlmeier selbst mitsamt seiner Familie auftreten lässt, berichtet er auch über den Besuch seines grillenhaften Lektors, Dr. Johannes Beer. Der Erzähler steht dieser Zusammenkunft im eigenen Heim alles andere als freudig gegenüber; vielmehr spürt er die Unvereinbarkeit von Arbeitsbeziehung und Privatem. Nicht vorstellbar scheint ihm zunächst die Tatsache, dass hinter Meisterlektor Dr. Beer eine reale Person aus Fleisch und Blut steckt: "Über das Privatleben von Lears Narr weiß auch niemand Bescheid. Und niemand weiß, ob er an das glaubt, was er sagt. Die Worte sind das Werkzeug des Narren, anderes Werkzeug kennt er nicht."

Und tatsächlich entpuppt sich Beer als Narr, dessen infantile Schrullen zu slapstickartigen Szenen führen. Die Vorbilder des Lektors erweisen sich als eine extravagante Mischung: Es wird der verwegene Jacob Grimm genannt, der weitsichtige Narr aus "King Lear" oder Joseph Conrads gewissenloser Mr. Verloc. Seine scheinbar einem literarischen Spleen verhaftete Selbstverkennung zeugt von einer verschwimmenden Grenze zwischen Leben und Vorstellungskraft. Bei all diesen Eigenschaften ist es nur natürlich, dass des Lektors Begegnung mit einem herrenlosen Hund, der sich ihm treuvoll bei einem Spaziergang anschließt, diesen mehr beschäftigt, als der Schicksalsschlag des Autors, nach dem er nie gefragt hat.

Es scheint ihn nicht zu interessieren, dass seit dem Tod von Paula im Hause Köhlmeier die Nächte aus quälender Schlaflosigkeit und Tranquilizern bestehen, die den Schmerz von dem klaffenden Loch in der Brust nehmen sollen. Anstatt das Gespräch mit Dr. Beer zu suchen, halluziniert sich der traurige Vater ein Gespräch mit seinem Lektor, in dem er all seine Gedanken rund um das Festhalten durch Schreiben, das Fortleben durch Imagination und um die Erinnerung zwischen Wirklichkeit und Erfundenem ausdrückt. Dr. Beer problematisiert durch sein offenes Desinteresse diese Frage noch weiter: Kann und will man ein solch persönliches Thema vor dem taktlosen Leser ausbreiten? Gradwanderungen zwischen Preisgabe und Mitteilungsbedürftigkeit, schriftstellerischer Mutlosigkeit und Angst vor der Beurteilung des strengen Lektors, der das Auge jedes Lesers repräsentiert, zeigen die Schwierigkeiten einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Intimen. Denn es ist unmöglich, den Schmerz auf das Papier abzugeben, und es ist ebenso unmöglich, dass dieser vom Rezipienten erkannt wird.

Den Kampf mit der Erinnerung, den Kampf mit der Realität trägt der Autor am Ende des Buches aus, indem er sich dem Tod entgegenstellt und mit aller Vehemenz sein Leben riskiert, um etwas zurückzuholen, das schon längst verloren ist. Der Tod: Verführerisch im Angesicht des Leides. Das Leben: Hoffnungsvoll im Angesicht der Liebe. Mit Verweisen auf Mythologisches spart der Autor nicht – da wird wie beiläufig von einem schwarzen Hund, von einem Zöllner und Dantes Inferno geredet – und es ist klar, dass hier auch ein Kampf mit dem Teufel ausgetragen wird. "Idylle mit ertrinkendem Hund" zeigt sich als ein Stück Literatur, das versucht, einem schweren Schicksalsschlag Ausdruck zu verleihen. Was dieses Buch vor allem hinterlässt, ist die Erinnerung an Paula Köhlmeier, die "den Boden nur mit den Fußspitzen" berührt hat.

 

Julia Zarbach
20. August 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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