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Denis Mikan: Emil.

Wien: edition exil, 2002.
100 S., brosch.,
ISBN 3-901899-10-3. 

Link zur Leseprobe

Emil ist nicht gerade der lockerste Zeitgenosse. Dauernd macht er sich Gedanken, was andere über ihn denken könnten. Oft tut er nur so als ob, spielt anderen vor, was er meint, dass angebracht sei. Er bemüht sich, wie ein gelassener Mann auszusehen, während ihn Unsicherheiten quälen. Nur höflich bleiben, bloß nicht auffallen. Ein wenig gleicht Emil einem Ethnologen, der fremde Gebräuche sieht und diese, ohne sie so richtig verstehen zu können, probeweise annimmt. Aber warum in aller Welt verhält sich ein junger Mann dermaßen angepaßt?

Denis Mikan gibt relativ dezente Anspielungen, die ein Spotlight auf den Hintergrund Emils werfen. Emil ist gebürtiger Serbe, eingewandert in Wien, auf der Suche nach Arbeit und verunsichert aus vielen Gründen. Irgendwie steht er zwischen den Stühlen, seine Freunde hängen am liebsten mit Freunden aus Serbien auf Studentenparties herum, sie reden natürlich serbisch. Wogegen Emil richtiggehend eine Abneigung entwickelt. So will er nicht sein. Emil entdeckt zudem gerade, daß er seine Gedanken auch in deutschen Worten zu formulieren beginnt. Ein Phänomen, das man aus der Sprachforschung kennt, wenn die Muttersprache nicht mehr selbstverständlich ist, in den Hintergrund abrutscht, aber die neue Sprache noch nicht richtig vertraut ist, dann löst das oft eine veritable Persönlichkeitskrise aus.

Emil will nicht in der Vergangenheit leben, aber was ist die Gegenwart? Wo gehört er hin, und was heißt das überhaupt irgendwo dazuzugehören? Beim Fußballspiel im Stadion "schien sich aber das Klischee vom primitiven Serben zu bewahrheiten, der stolz ist, primitiv zu sein". Emil wechselt die Seite: "Ich freute mich heimlich über jedes Tor, das Rapid schoss. [...] So muss sich Prinz Eugen gefühlt haben, nachdem er Sarajewo niedergebrannt hatte". Ein bißchen abgegriffen wirkt, daß der junge Mann natürlich Schriftsteller werden möchte, wie so viele Figuren in ersten Romanen. Das ist vielleicht ein bißchen unverkleidet. Ganz spannend, aber auch nicht genug zugespitzt sind die seltsamen Entgleisungen, in die Emil gleitet. Frauen sind per se "Empfängnismöglichkeiten", um ein klassisch patriachales Familienmodell zu verlängern. Gleichzeitig macht sich ein verdächtiger Schwulenhaß breit ("er sah wie einer dieser schwulen Typen aus, denen man nicht trauen kann"). Und Schwulenhaß, das wissen wir doch, ist oft nichts anderes als eigene verdrängte Homosexualität. Leider werden diese Fäden nur kurz gezogen, dann gleich wieder fallengelassen. Die eigentliche Geschichte geht um Entfremdung und Anpassen und darum, Fremdsein auch in der Heimat vielleicht doch umzubewerten.

Emil treibt es in seine alte Heimat, Wien macht ihn paranoid: "Plötzlich fühlt er, dass er nicht hierher gehört; dass Wien nicht seine Stadt ist; dass er ständig von Feinden beobachtet wird; dass es wahrscheinlich noch immer Gaskammern gibt". Er bricht nach Sarajewo auf, um auch dort nur Befremden zu finden. Plötzlich sehnt er sich nach Wien. Vielleicht lernt Emil am Schluß ja, daß es gar nicht verkehrt ist, sich fremd zu fühlen. Besser als unhinterfragte Affirmation mit Klischees, die einem bloß zufällig durch Erziehung, Milieu und Sexualitätszuschreibungen aufgepfropft werden. Was man nicht liest, aber ergänzen sollte: Sich an etwas anpassen, was einem nicht passt, macht nur depressiv!

 

Karin Cerny
4. Juni 2002

Originalbeitrag

 

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