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Leseprobe: Hilde Langthaler - "Ungeschichten"

Seit ihrer Hochzeit vor zwölf Jahren lebt sie, wie viele andere grüne Witwen, in den Betonbauten der Ölfeldsiedlung weit draußen am Stadtrand.
Zehnstöckige Gebäude, graue Bunker, die Wohneinheiten wie Sardinenbüchsen aufeinandergeschachtelt, dazu eine winzige Grünanlage, für die Kleinsten eine Sandkiste voll Hundekot und Kinderurin. Daneben eine Tafel mit der Aufschrift: Lärmen und Ballspielen verboten, der Rasen darf nicht betreten werden.
Kindergärten, Schulen und Kaufhäuser sind weit. Der überfüllte Autobus fährt nur selten durch die Vorstadtstraßen, vorbei an Fabriksmauern, ständig wechselnden Baustellen, hohen Bretterwänden une einem langen Autofriedhof.
Zweimal täglich nimmt sie diesen Bus, bepackt mit Einkaufstaschen, die Kinder an der Hand; sie schaut nicht zum Fenster hinaus - es lohnt sich nicht - an all das ist sie längst gewöhnt und Neues gibt es nicht zu sehen.

Ein Tag wie jeder andere: Die Arbeit will ihr heute so gar nicht von der Hand, wohl hat sie bereits Staub gesaugt, die Betten gemacht, Boden gewischt, Wäsche sortiert, trotzdem - heut ist ein schlechter Tag! Beim Geschirreinräumen ist ein Teller zerbrochen, die Handwäsche - besonders die verdammten Herrensocken wollen gar nicht mehr sauber werden - dabei ist es doch schon so spät! - ihre Hände zittern kaum merklich - es wartet noch ein riesiger Stoß Bügelwäsche. Die Kinder sind im Kindergarten, der Mann wie immer im Büro, wie jeden Tag ist sie allein (mit dem bisschen Hausarbeit, wie es so heißt). Sie steckt das Bügeleisen ein, zuerst die Leintücher, Handtücher, Taschentücher - das Telefon klingelt:
Ob sie doch so nett sein könne, heute auch die Kinder der Frau Fromm, von Stiege neun, die wieder in die Nervenanstalt musste, vom Kindergarten mit nachhaus zu nehmen?
Selbstverständlich! Grüße und gute Besserung!
Sie bügelt weiter Herrenhemden, Kinderkleider, Kinderhosen, Kindernachthemden - verbrennt sich die Finger, zwei dicke rote Blasen haben sich gebildet - schnell ein Pflaster drauf und weiter Kinderkleider... Was ist das heute wieder für ein Tag! Das Essen muss doch auf den Tisch, vorher die Kinder abgeholt - und immer noch dieser Stoß Bügelwäsche! Die Hände zittern, sie nimmt eine grüne Tablette (damit geht ihr die Arbeit viel schneller von der Hand) und bügelt Kinderkleider und Pyjamas, dann nochmals Leintücher, Handtücher, und schließlich wieder Herrenhemden, schaut auf die Uhr ... Mensch! Schon bald zwölf! - Sie nimmt die Tasche, wirft den Mantel über - der Lift steckt doch natürlich wieder! - Sie rennt die Stiege hinunter zur Bushaltestelle.

Hundert Meter vom Kindergarten hört sie schon die Zornesschreie ihres Jüngsten; sie rast die Stiegen hinauf. ... Mami, der Peter hat mir den Bären weggenommen! ...

© 2001, Ohrbuch Verlag, Wien, München.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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